Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. Leistungen der russischen Rentenversicherung. Invalidenrente, DEMO Rente, Erhöhungsbetrag bei Altersarbeitsrenten. keine Anrechnungsfreiheit nach § 82 Abs 1 S 1 SGB 12 analog. keine Vergleichbarkeit mit der Grundrente nach dem BVG. Verfassungsmäßigkeit. Verteilung auf einen angemessenen Zeitraum
Leitsatz (amtlich)
1. Zu Leistungen des russischen Rentenversicherungsträgers für Teilnehmer des Großen Vaterländischen Krieges sowie für Träger des Zeichens "Überlebende der Blockade Leningrads„ (sog Invalidenrente, sog DEMO-Leistung sowie Erhöhungsbetrag bei Altersarbeitsrenten).
2. Die genannten Leistungen des russischen Rentenversicherungsträgers sind nicht nach § 82 Abs 1 S 1 SGB 12 von der Einrechnung als Einkommen ausgenommen. Nach Funktion und Struktur stimmen sie nicht mit den dort genannten Leistungen überein; insbesondere setzen sie nicht die (für eine Grundrente nach dem BVG erforderliche) "doppelte Kausalität„ zwischen Schädigung und Invalidität einerseits sowie Schädigung und gesundheitlichen bzw wirtschaftlichen Folgen andererseits voraus.
3. Eine Anrechnungsfreiheit im Rahmen von § 82 Abs 1 S 1 SGB 12 ergibt sich auch nicht aus Art 3 GG, wenn zahlreiche Leistungsträger die genannten russischen Leistungen nicht als Einkommen berücksichtigen. Denn eine rechtswidrige Anrechnungsfreistellung durch andere Träger kann keinen Anspruch auf ebenfalls rechtswidrige Nichtanrechnung begründen.
4. Zahlt der russische Rentenversicherungsträger die genannten Leistungen vierteljährlich nach Deutschland aus, so sind sie pro Monat des betreffenden Dreimonatszeitraums jeweils zu einem Drittel anzurechnen, beginnend mit dem Auszahlungsmonat.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 02.12.2012 geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Im Anschluss an einen Teilunterwerfungsvergleich stehen nur mehr Leistungen für März 2012 im Streit.
Der 1922 geborene, verwitwete Kläger zu 1 ist der Cousin der 1935 geborenen, ebenfalls verwitweten Klägerin zu 2. Beide sind russische Staatsangehörige. Sie reisten im Mai 2000 in das Bundesgebiet ein und sind seither als sog. jüdische Kontingentflüchtlinge im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 23 Abs. 2 AufenthG. Seit Dezember 2002 erhalten sie Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Außerdem gewährt die Beklagte ihnen Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII. Die Pflege der Kläger wird durch einen ambulanten Pflegedienst sichergestellt; bis zum Eintritt ihrer eigenen Pflegebedürftigkeit hatte die Klägerin zu 2 die Pflege des Klägers zu 1 übernommen. Der Kläger zu 1 ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80, die Klägerin zu 2 mit einem Grad der Behinderung von 100. Für beide ist das Merkzeichen "G" festgestellt. Die Kläger bewohnten bis März 2012 zusammen eine 58 m² große Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in E, für die 266,80 EUR Miete, 114,44 EUR Betriebskosten und 60,94 EUR Heizkosten anfielen (Gesamtkosten: 442,18 EUR). Das Warmwasser wurde in dieser Wohnung dezentral erzeugt. Im April erfolgte ein gemeinsamer Umzug in eine andere Wohnung in E (Gesamtkosten dort: 406,54 EUR). Vermögen besaßen die Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht; sie unterhielten in dieser Zeit auch keine Versicherungsverträge (i.S.d. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII).
Im Februar 2011 forderte die Beklagte die Kläger auf, einen Nachweis über die Höhe einer ihnen ggf. bereits gewährten russischen Rente vorzulegen und einen Antrag beim zuständigen russischen Rentenversicherungsträger auf Auszahlung nach Deutschland bzw. auf Rentenzahlung zu stellen (Schreiben vom 01.02.2011). Die Kläger teilten mit, sie hätten vor ihrer Zuwanderung nach Deutschland eine Rente in Russland bezogen. Diese werde nunmehr an Bekannte in Russland gezahlt zur Grabpflege verstorbener Angehöriger. Seit ihrer Zuwanderung hätten sie selbst nichts von dieser Rente erhalten (Schreiben vom 14.02.2011). Der Bevollmächtigte der Kläger führte ergänzend aus, die russische Rente sei auf die gewährten Leistungen nach dem SGB XII nicht anrechenbar, weil es sich um eine Kompensation für Leiden im Zweiten Weltkrieg (Kriegsteilnahme bzw. Leben unter der Blockade Leningrads durch die deutsche Wehrmacht) handele (Schreiben vom 11.05.2011).
Zum Nachweis der Rentenhöhe legten die Kläger Bescheinigungen des russischen Rentenversicherungsträgers vor. Danach erhält die Klägerin zu 2 seit dem 15.02.1990 eine Altersrente sowie eine staatliche Rente wegen Invalidität, die im Monat Dezember 2010 insgesamt 13.504,76 Rubel betrug, sowie zusätzlich eine zusätzliche materielle Unterstützung (sog. DEMO-Leistung) i.H.v. monatlich 500,00 Rubel. Bei der letztgenannten L...