Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Einkommen eines selbständig Tätigen bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung - Zulässigkeit einer jahresbezogenen Berücksichtigung als Ausnahme
Orientierungssatz
1. Bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 AlgIIV das im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließende Einkommen zu berücksichtigen. Bei Betriebseinnahmen aus selbständiger Tätigkeit ist abweichend hiervon keine jährliche Betrachtung nach § 3 Abs. 5 AlgIIV vorzunehmen, wenn das Einkommen bei wiederholter Antragstellung jeweils für die einzelnen 6-monatigen Bewilligungszeiträume in der Vergangenheit berücksichtigt wurde.
2. Eine ausnahmsweise jahresbezogene Betrachtung ist nach § 3 Abs. 5 AlgIIV bei Saisonbetrieben zulässig. Hierzu zählt eine Unternehmensberatung nicht.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25.06.2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer endgültigen Leistungsfestsetzung nach vorläufiger Bewilligung, insbesondere über die Höhe des anzurechnenden Einkommens aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers im Zeitraum vom 01.05.2015 bis zum 31.10.2015.
Der am 00.00.1953 geborenen Kläger ist mit der am 00.00.1971 geborenen T T verheiratet. Der Kläger und seine Ehefrau standen seit August 2012 im Leistungsbezug beim Beklagten. Die Bewilligung der Leistungen erfolgte jeweils für bis zu sechs Monate nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II. Der Kläger betrieb von Februar 1987 bis September 2016 die Unternehmensberatung T, im streitigen Zeitraum unter der Wohnanschrift B-Straße 00 in S. Seit Beginn des Jahres 2016 befindet sich die Ehefrau des Klägers in Thailand. Während einer genehmigten Ortsabwesenheit erkrankte sie nach Angaben des Ehemannes Mitte Februar 2016 an einer Viruserkrankung und wurde stationär in einem Krankenhaus in Thailand behandelt.
Mit Bescheid vom 29.04.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für die Zeit vom 01.05.2015 bis zum 31.10.2015 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II monatlich iHv je 635,55 EUR (KdU kopfanteilig 275,55 EUR, Regelbedarf iHv je 360 EUR) ohne Einkommensanrechnung.
Nach der am 17.02.2016 eingereichten Einkommenserklärung Selbständiger (EKS) erzielte der Kläger von Mai 2015 bis Oktober 2015 Einnahmen iHv insgesamt 18.312,61 EUR (Mai 2015: 6.000 EUR, Juni 2015: keine Einnahmen, Juli 2015: 1.512,61 EUR, August 2015: 6.000 EUR, September 2015: 4.800 EUR, Oktober: keine Einnahmen). Als Betriebsausgaben wies er insgesamt 17.652,11 EUR aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die EKS und den Inhalt der Verwaltungsakte Bezug genommen. Der Kläger leaste ab 07.06.2011 von der N Bank AG einen Mercedes E 350 Coupé (573,89 EUR monatlich Leasingrate im streitigen Zeitraum) und gab an, die Betriebskosten für das Fahrzeug setzten sich aus Steuern, Versicherungen, Benzinkosten, Parkgebühren, Inspektionen und Reparaturkosten zusammen. Ein Fahrtenbuch habe er nicht geführt, da er das Fahrzeug allein zu betrieblichen Zwecken genutzt habe. Er überreichte eine zum 05.09.2015 fällige Rechnung iHv 94,43 EUR der I Versicherung für die Glas- und Hausratversicherung in der B-Straße 00 in S für die Zeit vom 04.09.2015 bis zum 04.03.2016 und eine weitere zum 01.10.2015 fällige Rechnung der A Insurance vom 22.08.2015 für eine Haftpflichtversicherung "Privat-Police" für die Zeit vom 01.10.2015 bis zum 01.10.2016 iHv 113,53 EUR. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache gab der Kläger an, ein eigenes Geschäftskonto existiere nicht, so dass Abbuchungen über Konten von Bekannten vorgenommen würden; die Vorlage von Belegen gestalte sich daher schwierig. Die Telefonkosten seien fast ausschließlich beruflich verursacht.
Der Beklagte bewilligte mit endgültigem Bescheid vom 03.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2017 Leistungen von Mai 2015 bis Oktober 2015 für den Kläger und seine Ehefrau (Bedarf je 635,55 EUR [KdU 275,55 EUR kopfanteilig; Regelbedarf je 360 EUR]) iHv je 165,05 EUR und rechnete Einkommen iHv je 470,50 EUR an (Einkommen des Klägers iHv 1.241 EUR monatlich abzüglich gesetzlicher Freibeträge iHv 300 EUR, je zu 1/2 beim Kläger und seiner Ehefrau). Mit weiterem Bescheid vom 03.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2017 forderte der Beklagte vom Kläger eine Erstattung überzahlter Leistungen iHv 2823 EUR.
Der Kläger hat am 22.03.2017 gegen den endgültigen Festsetzungsbescheid Klage erhoben. Eine weitere Klage hat sich gegen den Erstattungsbescheid gerichtet (S 50 AS 3672/16). Die vom Beklagten ermittelten Gewinne seien nicht entstanden. Der Beklagte habe übersehen, dass die in dem angegebenen Zeitraum erwirtschafteten Überschüsse mit den in den Vor- oder Nachperioden verursachten Kosten zu verrechnen seien. Diese Verfahrensweise sei ihm mit Schreiben des Beklagten vom 16.02.2016 zugesich...