Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto. früherer Rentenbeginn und rückwirkende Gewährung einer Rente nach dem ZRBG. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Eine Rente aus eigener Versicherung wird bei verspäteter Antragstellung und Ablauf der Dreimonatsfrist bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen erst ab dem Monat der Antragsstellung geleistet. Der aus § 99 SGB 6 resultierende Rentenbeginn erfährt keine Änderung durch § 3 Abs 1 S 1 ZRBG, wenn der Rentenantrag nach dem 30.6.2003 gestellt wurde.

2. Diese Anwendung des § 99 SGB 6 verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

3. Zu den Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches im Zusammenhang mit einer ZRBG-Rentenerstfestsetzung.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.03.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Beginn der der Klägerin zustehenden Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) streitig.

Die Klägerin ist am 00.00.1926 in X. geboren. Sie ist jüdischen Glaubens, lebt seit (Anfang) 1948 in Israel und besitzt die israelische Staatsbürgerschaft. Ob die Klägerin ein Entschädigungsverfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz durchlaufen hat, ist nicht bekannt. Aufgrund ihres Antrags von Mai 1993 bezieht sie von der Claims Conference eine Entschädigung, nachdem sie in ihrem Antrag angegeben hatte, sie habe sich vom 15.11.1940 bis zum Sommer 1942 im Ghetto X. aufhalten müssen und habe anschließend bis Ende 1944 bei C. versteckt gelebt. Einen Antrag auf Entschädigung/Rente durch den Art. 2 - Fund / Hardship Fund der Claims Conference bzw. einen Antrag auf eine Anerkennungsleistung durch das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen hat die Klägerin nach deren Auskünften vom 20.06.2011 bzw. vom 30.06.2011 nicht gestellt. Nach Auskunft des israelischen Versicherungsträgers vom 06.06.2012 hat die Klägerin in Israel keinen Antrag auf Altersrente gestellt.

Mit einem am 16.05.2011 bei der Beklagten eingegangenen Antrag beantragte die Klägerin erstmals bei der Beklagten durch ihren damaligen Bevollmächtigten und heutigen Prozessbevollmächtigten die Anerkennung einer Beitragszeit nach dem ZRBG von Dezember 1940 bis November 1942, da sie im Ghetto X. Arbeiten im Waisenhaus verrichtet habe, sowie eine Rentenzahlung auf der Grundlage des ZRBG.

Mit einem am 01.08.2011 bei der Beklagten eingegangenen Antrag beantragte die Klägerin zudem die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für ihren am 00.08.1948 in I. geborenen Sohn J. H. N.

Mit Bescheid vom 15.11.2011 gewährte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente ab dem 01.05.2011. Der Rentengewährung legte die Beklagte eine Beitragszeit nach dem ZRBG vom 01.12.1940 bis zum 31.08.1942, Kindererziehungszeiten vom 01.09.1948 bis zum 31.08.1949 und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland vom 00.08.1948 bis zum 31.12.1949 sowie Ersatzzeiten vom 25.12.1940 bis zum 31.12.1949 zugrunde. Für die Zeit vom 01.05.2011 bis zum 30.11.2011 ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 2604,15 EUR, ab dem 01.12.2011 ergab sich ein Zahlbetrag in Höhe von 373,07 EUR monatlich. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Anspruchsvoraussetzungen seien seit dem 24.12.1991 erfüllt; die Rente werde ab dem Antragsmonat geleistet, weil der Antrag erst nach dem Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats gestellt worden sei, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien.

Im Rahmen des Widerspruchs (Widerspruchseingang am 22.11.2011) führte der Bevollmächtigte aus, der Klägerin sei Regelaltersrente vor dem 01.05.2011 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu gewähren. Die Klägerin habe im Frühjahr 2003 bei der israelischen Nationalversicherung um nähere Informationen über die Voraussetzungen einer Antragstellung zur Anerkennung von Ghettozeiten gebeten und die Antwort erhalten, dass die Rentenversicherungen sehr hohe Anforderungen (Freiwilligkeit, zu geringe Entlohnung, kein Bargeld, zu geringes Alter, meist Zwangsarbeit, keine Anwendung des ZRBG bei Ghettos in Transnistrien und Ungarn usw.) stellen. Diese - sachlich richtige - Auskunft der israelischen Rentenversicherung müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Die Klägerin habe daraufhin keinen Sinn darin gesehen, die physischen, psychischen und finanziellen Belastungen eines Antragsverfahrens auf sich zu nehmen. Die Beklagte habe die Klägerin insoweit durch ihre restriktive Gesetzesauslegung daran gehindert, sich sachgerecht zu verhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe erstmals am 16.05.2011 und damit nach dem 30.06.2003 einen Antrag auf Anerkennung von Beitragszeiten nach d...

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