Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen bei Sanktion gegen den Empfänger von Leistungen des SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Zur Prüfung des Leistungsträgers des SGB 2, ob die Voraussetzungen der Sanktionsvorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB 2 erfüllt sind, kann dieser die Kontoauszüge der letzten drei Monate vor der Antragstellung vom Leistungsempfänger anfordern. Denn anhand der Auszüge kann festgestellt werden, ob der Hilfebedürftige sein Einkommen oder Vermögen in der Absicht gemindert hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen nach dem SGB 2 herbeizuführen.

2. Datenschutzrechtliche Bestimmungen werden hierdurch nicht verletzt. Eine solche Prüfung setzt den Betroffenen nicht dem Generalverdacht strafbarer Handlungen aus, sondern ist Ausdruck des Gebotes eines wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit steuerfinanzierten Leistungen.

3. Eine Vorlage kann nicht unbegrenzt für die Vergangenheit verlangt werden. Eine Verpflichtung zur Vorlage von Auszügen für die zurückliegenden sechs Monate ist aber nicht zu beanstanden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.07.2010; Aktenzeichen B 14 AS 45/10 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Versagung der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an den Kläger.

Der 1972 geborene Kläger ist Kirchenmusiker und lebt gemeinsam mit seinem 1936 geborenen Vater in dessen Wohnung. Der Vater ist Rentner und bezieht ergänzende Leistungen nach dem SGB XII.

Das letzte Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma D Services endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung im April 2006. Am 17.05.2006 stellte der Kläger daraufhin einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bei der Beklagten. Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 17.05.2006 auf, eine Vielzahl im Einzelnen benannter Unterlagen zur Prüfung des gestellten Antrags vorzulegen.

Mit Schreiben vom 22.05.2006 brachte der Kläger daraufhin verschiedene Unterlagen bei, unter anderem Verdienstabrechnungen der Krankenanstalt N für den Zeitraum Januar bis März 2006, Verdienstbescheinigungen des Kirchenkreises B für den Zeitraum Februar 2006 bis April 2006, einzelne, nicht fortlaufende Kontoauszugsblätter aus dem Zeitraum von März 2006 bis Mai 2006, sowie schließlich einen Wohngeldbescheid der Stadt T vom 13.02.2006, gerichtet an seinen Vater.

Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 22.06.2006 erneut zur Vorlage noch fehlender Unterlagen auf. Angemahnt wurden insbesondere vollständige und fortlaufende Kontoauszüge der letzten sechs Monate, die Vorlage eines Mietvertrages und einer Mietbescheinigung, ein Nachweis der Mietzahlungen der letzten drei Monate sowie ein Nachweis der Eigenbemühungen um Arbeit. Zugleich wies die Beklagte den Kläger auf seine Mitwirkungspflichten nach § 60 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) sowie die Möglichkeit einer Versagung der beantragten Leistungen gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I hin.

Mit Schreiben vom 23.06.2006 legte der Vater des Klägers als dessen Bevollmächtigter eine eidesstattliche Versicherung über die Höhe der Unterkunftskosten und den vom Kläger zu tragenden Anteil vor und erklärte im Übrigen, sein Sohn werde keine weiteren Unterlagen beibringen.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 30.06.2006 den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab und stützte sich hierbei auf § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 10.07.2006 Widerspruch. Parallel hierzu stellte der Kläger beim Sozialgericht Köln einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, der mit Beschluss vom 14.09.2006 - S 11 AS 162/06 ER - abgelehnt wurde. Im Zuge der dortigen Auseinandersetzung bot die Beklagte mehrfach an, der Kläger könne zunächst Kontoauszüge für drei Monate vorlegen. Ob zur Aufklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sodann die Vorlage weiterer Unterlagen erforderlich sei, könne anschließend verlässlich entschieden werden. Die gegen den ablehnenden Beschluss eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 04.12.2006 - L 9 B 117/06 AS ER - zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2007 wies die Beklagte anschließend den Widerspruch des Klägers zurück. Nach Maßgabe der im Eilverfahren zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bestehe der Ablehnungsgrund des § 66 Abs. 1 SGB I fort.

Hiergegen richtet sich die am 11.04.2007 bei dem Sozialgericht Köln eingegangene Klage.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, alle für die Leistungsgewährung erheblichen Tatsachen seien im Leistungsantrag angegeben worden. Er sei frei darin, wie er den Nachweis seiner Bedürftigkeit erbringe. Zurückliegende Kontobewegungen könnten nichts an seiner aktuellen Bedarfslage ändern. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Leistungs...

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