Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderrechtsnachfolge. Nichtvorliegen einer Leistungsfeststellung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Pflichtverletzung des Unfallversicherungsträgers. Zurechnung des Fehlverhaltens eines Dritten. Unterlassen einer Anzeige über begründeten Verdacht einer Berufskrankheit. kein anhängiges Verwaltungsverfahren. keine Fiktion
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für eine Zurechnung des Fehlverhaltens Dritter im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist, dass zwischen der die Pflichtverletzung begehenden und der in Anspruch genommenen Stelle eine "Funktionseinheit" besteht.
2. Zwischen den zur Anzeige des begründenden Verdachtes einer BK verpflichteten Ärzten einerseits und den Versicherten andererseits besteht grundsätzlich keine enge Betreuungs- und Beratungsbeziehung iS der §§ 13 bis 15 SGB 1.
3. Eine Fiktion des tatsächlich nicht anhängigen Verwaltungsverfahren zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten im Wege der Korrektur durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist nicht zulässig.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15. Januar 2008 abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztenrente, welche die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres an den Folgen einer Berufskrankheit (BK) verstorbenen Vaters C H (Versicherter) geltend macht.
Der 1929 geborene Versicherte war als Schlosser tätig, zuletzt in der Zeit von 1971 bis 1987 bei der Firma C GmbH, Zweigwerk E. Auf eine telefonische Mitteilung nach dem Tod des Versicherten am 01.04.2002 stellte zunächst die Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft Ermittlungen hinsichtlich der Krankheitsvorgeschichte, des Krankheitsbildes und der Gefährdung wegen dessen beruflicher Tätigkeit an. Da sich dabei herausstellte, dass ein beruflicher Umgang des Versicherten mit Asbest in einem Mitgliedsunternehmen der Holz-Berufsgenossenschaft stattgefunden hatte, wurde die weitere Bearbeitung von der Beklagten übernommen.
Aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen ergab sich unter anderem, dass der Versicherte sich aufgrund einer Überweisung durch Dr. M, Ärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde in E, zu Untersuchungszwecken in die Lungenklinik I begeben hatte. Über die dortige ambulante Vorstellung berichtete Priv.-Doz. Dr. N am 15.09.1999, der Versicherte habe eine Asbestexposition durchgemacht. Aufgrund des ätiologisch unklaren Pleuraergusses links rate er zu einer stationären Einweisung. Im Rahmen des anschließenden stationären Aufenthaltes in der Zeit vom 13.10.1999 bis zum 22.10.1999 wurden dem Versicherten Gewebeproben entnommen, die im Institut für Pathologie an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C in C untersucht wurden. In dem darüber angefertigten Bericht vom 18.10.1999 führten Prof. Dr. N und Dr. L aus, das Gewebe zeige teilweise das Bild einer sehr frühen Entwicklungsphase eines Pleuramesothelioms. Die Diagnose des Vollbildes eines Mesothelioms könne noch nicht gestellt werden. Es müsse diskutiert werden, ob der Versicherte von einer ausgedehnten Operation profitieren könne, denn es sei nur eine Frage der Zeit, bis die noch sehr frühen Tumorphasen sich weiter ausbreiteten und dann das Vollbild eines Mesothelioms böten. In der Lungenklinik I wurde sodann die frühe Phase eines Pleuramesothelioms diagnostiziert und in einem Schreiben vom 12.11.1999 an Dr. M ausgeführt, es werde noch die Anschrift der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) benötigt, um eine "BG-Meldung nach den Ziffern 4103 und 4105" durchführen zu können.
Dr. M teilte ihrerseits den Hausärzten des Versicherten, den Dres. L1 in E, unter dem 02.12.1999 mit, dass sich aufgrund der stationären Behandlung in der Lungenklinik I der dringende Verdacht auf ein Pleuramesotheliom in der Frühphase ergeben habe. Der Versicherte, der seine BG nicht gewusst habe, sei über die zuletzt eingegangenen Befunde in Kenntnis gesetzt worden, wobei er sich aber nicht entschließen könne, eine zweite umfassende Operation vornehmen zu lassen. Er sehe nicht die Notwendigkeit ein, dem möglicherweise ernsten Befund weiter nachzugehen.
Die Dres. L2 gaben gegenüber der Maschinenbau- und Metall-BG am 26.04.2002 an, dass bereits früher mit dem Versicherten über eine eventuelle berufliche Ursache seiner Erkrankung gesprochen worden sei. Der Versicherte habe jedoch keine Hinweise zur zuständigen BG gemacht, weil er ein solches Verfahren nicht gewollt habe. Noch am 09.11.2001 sei mit ihm über die angezeigte Meldung gesprochen und um Hinweise zur zuständigen BG gebeten worden. Der Versicherte habe jedoch aus Angst vor bürokratischen Umständen dringend gebeten, hiervon abzusehen, was wegen seines schlechten körperlichen und psychischen Zustandes nachvollziehbar gewesen sei.
Die Maschinenbau- und Metall-BG veranlasste eine Obduktion des Versicherten durch Prof. Dr. P, Pathologis...