Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen der Ermittlungspflicht des Sozialgerichts im Schwerbehindertenrecht
Orientierungssatz
Ist der Grad der Behinderung im Schwerbehindertenrecht durch ärztliche Befundberichte angemessen bewertet und weigert sich der Kläger, sich den für eine medizinische Begutachtung erforderlichen Untersuchungen im gerichtlichen Verfahren zu unterziehen, so ist das Gericht zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet. Die Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage kommt nicht in Betracht, wenn zur Beurteilung des aktuellen Gesundheitszustands entsprechende Untersuchungen erforderlich wären.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.04.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100.
Bei der am 1958 geborenen Klägerin war zuletzt mit Ausführungsbescheid vom 07.09.2018 aufgrund eines von ihr am 04.09.2018 angenommenen Anerkenntnisses der Beklagten in dem vor dem Sozialgericht Düsseldorf (SG) geführten Verfahren mit dem Az.: 36 SB 1252/17 ab dem 11.05.2017 ein GdB von 50 festgestellt worden. Grundlage waren von dem SG eingeholte Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie J. C vom 12.06.2018 und des Facharztes für Orthopädie Dr. D vom 22.06.2018. J. C hatte eine wahnhafte Depression mit parathymem Wahn, differenzialdiagnostisch schizotype Störung, differenzialdiagnostisch undifferenzierte Schizophrenie und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren diagnostiziert und hierfür einen GdB von 50 angenommen. Dr. D hatte eine Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes bei gesichertem Innenmeniskusschaden, ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit vielfältigen Beschwerdeangaben, möglicherweise im Kontext der somatoformen Schmerzstörung, und ein Impingementsyndrom festgestellt und für das Funktionssystem Rumpf und das Funktionssystem der unteren Extremitäten jeweils einen Einzel-GdB von 20 angenommen.
Der gegen den Ausführungsbescheid eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2018 als unzulässig zurückgewiesen.
Bereits im Januar 2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Feststellung eines höheren GdB. Die Beklagte holte daraufhin Befundberichte von dem Facharzt für Innere Medizin A. E, dem Facharzt für Orthopädie Dr. F, dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G und der Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. H ein und ließ diese von ihrer Beratungsärztin R. K gutachtlich auswerten. Nach deren Stellungnahme vom 02.04.2019 waren das seelische Leiden weiterhin mit einem Einzel-GdB von 50 und die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und des linken Kniegelenkes weiterhin mit Einzel-GdB von jeweils 20 einzuschätzen. Sie führte aus, es sei zwar eine Gleichgewichtsnervenreizung mit einem Einzel-GdB von 10 hinzugetreten, der Gesamt-GdB sei aber mit nach wie vor ausreichend und richtig bemessen.
Mit Bescheid vom 09.04.2019 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB sodann ab.
Der hiergegen erhobene Widerspruch der Klägerin wurde nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. L vom 25.04.2019, der die Funktionsstörung des linken Kniegelenks nur mit einem Einzel-GdB von 10 eingeschätzt hatte, im Übrigen aber zur selben Einschätzung wie R. K gelangt war, mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2019 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Beeinträchtigungen seien mit einem GdB von 50 richtig bewertet, eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten.
Am 21.05.2019 hat die Klägerin vor dem SG Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihre seelischen Leiden, die sich in den letzten zwei Jahren erheblich verschlechtert hätten, seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Sie halte einen GdB von 100 für angemessen. Sie bitte zur Sachaufklärung um Anhörung des Dr. G.
Die Klägerin hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2019 zu verpflichten, bei ihr ab Antragstellung einen GdB von 100 festzustellen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid unter Verweis auf die gutachtliche Stellungnahme des Dr. H vom 25.04.2019 für rechtmäßig gehalten. Diese sei nämlich unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen, insbesondere auch der Berichte der die Klägerin behandelnden Ärzte (unter anderem des Dr. G) erfolgt. Aufgrund dieser ärztlichen Unterlagen sei dann auch die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft erfolgt.
Das SG hat Befundberichte von dem Facharzt für Innere Medizin A. E und dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie ...