Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeldes. verspätete Meldung. frühzeitige Arbeitssuche. befristetes Arbeitsverhältnis. unverschuldete Rechtsunkenntnis. Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung
Orientierungssatz
1. Systematische Gründe sowie Sinn und Zweck der §§ 37b, 140 SGB 3 sprechen dafür, dass der Arbeitnehmer seine Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung nicht verletzt, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist beim Arbeitsamt meldet (Anschluss an BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R = BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1). Insoweit kommt es auf die subjektive Kenntnis bzw das Kennenmüssen des Arbeitssuchenden an sowie auf die Belehrungspflichten, die der Gesetzgeber der Bundesagentur für für Arbeit (BA) auferlegt bzw auf die faktisch an deren Stelle tretende Informationspflicht des Arbeitgebers nach § 2 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB 3, bevor aus Obliegenheitsverletzungen des Arbeitslosen nachteilige Rechtsfolgen für seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld eintreten können. An diese Belehrungs- bzw Informationspflichten aber hat die Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt, weil es Zweck des Erfordernisses der Rechtsfolgenbelehrung ist, dem Arbeitslosen die sich aus seinem Verhalten ergebenden Konsequenzen vor Augen zu führen und ihn in allgemeiner Form zu warnen. Daher darf sich die Rechtsfolgenbelehrung insbesondere nicht auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken.
2. Die Voraussetzungen einer in diesem Sinne wirksamen Rechtsfolgenbelehrung erfüllt der Hinweis in den Bescheiden der BA, dass die nicht rechtzeitige Arbeitsuchendmeldung "eine Minderung des Arbeitslosengeldes zur Folge haben kann" nicht. Denn bei dem Hinweis handelt es sich zum einen allenfalls um eine formelhafte und damit nicht ausreichende Wiedergabe des Gesetzestextes des § 140 S 1 SGB 3. Zum anderen ist sie insbesondere aber unrichtig, weil sich nach dem Gesetzestext des § 140 S 1 SGB 3 das Arbeitslosengeld zwingend mindert und nicht - wie nach dem Hinweis des Arbeitgebers - möglicherweise (Festhaltung an LSG Essen vom 22.2.2006 - L 12 AL 82/05 und vom 8.3.2006 - L 12 AL 30/05).
3. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R = SozR 4-4300 § 37b Nr 2 ausgeführt hat, "das LSG wird auch dem erstmals mit der Revision vorgebrachten Hinweis der Beklagten Rechnung zu tragen haben, dass ihre Aufhebungsbescheide bereits zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis auf die Obliegenheit nach § 37b SGB 3 enthielten". Denn diese Formulierung enthält keine Bewertung bzw Beurteilung hinsichtlich der an die Belehrungspflichten zu stellenden inhaltlichen Anforderungen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.04.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Minderung des an den Kläger vom 13.10.2004 bis 27.12.2004 gezahlten Arbeitslosengeldes um 1.050,00 EUR wegen verspäteter Meldung als arbeitssuchend.
Der am 00.00.1978 geborene Kläger arbeitete vom 01.06.1999 bis 10.06.2003 als Maschinenbediener.
Ab dem 13.06.2004 bezog er Arbeitslosengeld in Höhe von 193,48 EUR wöchentlich bis 31.10.2003. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch eine Restanspruchsdauer von 219 Leistungstagen. Vom 01.11.2003 bis 30.09.2004 arbeitete er wiederum als Maschinenbediener. Das Arbeitsverhältnis war bei Abschluss des Arbeitsvertrages bis zu diesem Zeitpunkt befristet.
Am 13.10.2004 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 10.11.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 13.10.2004 in Höhe von 197,68 EUR wöchentlich für die Restanspruchsdauer von 219 Tagen. Gleichzeitig setzte sie den Zahlbetrag unter Bezugnahme auf einen Bescheid vom 09.11.2004 auf 98,84 EUR wöchentlich fest. Mit diesem Bescheid vom 09.11.2004 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass eine Anspruchsminderung erfolge, weil er sich 104 Tage verspätet arbeitssuchend gemeldet habe und somit seinen Verpflichtungen aus § 37 b SGB III nicht nachgekommen sei. Nach § 140 SGB III mindere sich der Anspruch des Klägers um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, höchstens jedoch für 30 Tage, hier mithin um 1.050,00 EUR. Die Minderung erfolge, indem der Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde. Die Anrechnung beginne mit dem 13.10.2004 und sei voraussichtlich mit Ablauf des 27.12.2004 beendet.
Gegen die Bescheide vom 09. und 10.11.2004 legte der Kläger Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass er aufgrund einer Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig beim Arbeitsamt vorstellig zu werden, um seine Arbeitslosigkeit anzuzeigen. Er habe einen befristeten Arbeitsvertrag bis 30.09.2004 gehabt, dessen Befristungsabrede seiner Ansicht nach ohne...