Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisbarkeit einer Näherin bei geltend gemachter Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Medizinische Beweiswürdigung. Schmerzen. Zeitliches Leistungsvermögen. Wegefähigkeit. Angelernte des oberen Bereichs. Pförtnerin an der Hauptpforte
Orientierungssatz
1. Ein vor dem 2. 1. 1961 geborener Versicherter hat Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 240 SGB 6, wenn er berufsunfähig ist. Zur Beurteilung der Frage, auf welche Tätigkeiten ein Versicherter zumutbar verwiesen werden kann, ist das vom BSG entwickelte Mehrstufenschema maßgeblich.
2. Eine Versicherte, die den Beruf einer Näherin vollwertig ausgeübt hat, ist der Stufe der Angelernten des oberen Bereichs zuzuordnen.
3. Als Angelernte des oberen Bereichs ist die Versicherte auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, soweit es sich nicht um allereinfachste Tätigkeiten handelt, wobei eine in Betracht kommende Verweisungstätigkeit konkret zu benennen ist. Hierzu zählt die Pförtnertätigkeit.
Normenkette
SGB VI §§ 43, 240; SGG §§ 106, 109
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.5.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am 00.00.1948 geborene Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Sie absolvierte nach achtjährigem Besuch der Volksschule vom 6.9.1963 bis zum 31.3.1966 das Berufskolleg Q in N, welches sie mit dem Berufsschulabschluss, jedoch ohne Berufsabschluss verließ. Zugleich begab sie sich nach eigenen Angaben vom 21.8.1963 bis zum 31.5.1964 in ein Anlernverhältnis als Textilnäherin bei der Firma K und H in N. Eine anerkannte Ausbildung absolvierte sie dort nicht, da es sich nicht um einen Meisterbetrieb handelte. In der Zeit vom 1.6.1964 bis zur Geburt ihres Sohnes im Jahr 1976 war sie bei verschiedenen Arbeitgebern als Näherin im Bereich der Damen- und Herrenkonfektion tätig. Vom 1.4.1995 bis zum 31.8.2008 sind im Versicherungsverlauf der Klägerin Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeiten gespeichert. In der Zeit vom 7.6.2006 bis zum 31.8.2008 erhielt sie aufstockende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Seit dem 1.9.2008 gewährt die Beklagte der Klägerin, die zwischenzeitlich über einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 und das Merkzeichen G verfügt, eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid v. 18.8.2008).
Am 24.8.1989 stellte die Klägerin einen ersten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den die Rechtsvorgängerin der hiesigen Beklagten, die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, mit Bescheid vom 16.11.1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.1990 ablehnte. Das daraufhin angestrengte sozialgerichtliche Verfahren endete letztlich durch berufungszurückweisendes Urteil des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen (LSG NRW, Urteil v. 7.1.1997, L 18 J 113/94).
Am 14.3.2006 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten. Diese gab ein sozialmedizinisches Gutachten bei Frau Dr. N (Untersuchungstermin 29.3.2006) in Auftrag, die zu einem sozialmedizinischen Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten zeitweise im Gehen, Stehen und Sitzen in Tagesschicht sechs Stunden und mehr arbeitstäglich kam.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.4.2006 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Den dagegen am 21.4.2006 erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 25.7.2006, zugestellt am 27.7.2006, als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am Montag, den 28.8.2006 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie habe drei Jahre die Berufsschule besucht. Den Beruf der Näherin habe sie bis 1978 ausgeübt und aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Sie sei nicht mehr in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein, denn sie leide unter Depressionen und orthopädischen Beschwerden. Sie sei zudem nicht mehr wegefähig.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.7.2006 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Leistungsfalls vom 14.3.2006 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihren Bescheiden festgehalten und auf ihre medizinischen Ermittlungen verwiesen.
Das SG hat zunächst Befund- und Behandlungsberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, nämlich des Neurologen und Psychiaters Dr. G (Befundbericht v. 29.10.2006) und des Internisten Q (Befundbericht v. 24.1.2007) eingeholt und sodann Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens von Dr. G1 (Gutachten v. 9.5.2007) und eines ...