Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Feststellung des Grads der Behinderung. rechtliche Bedeutung von medizinischen Diagnosen und Einschätzungen zum Behinderungsgrad in ärztlichen Gutachten. Antrag auf Vernehmung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens
Orientierungssatz
1. Der Grad der Behinderung ist ein im Kern "rechtlicher Begriff", weshalb die Bezeichnung regelwidriger Zustände mit medizinischen Diagnosen nur der Begründung des den Grad der Behinderung (GdB) festlegenden Verwaltungsakts dient und keine Aussage über die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen enthält (vgl BSG vom 18.9.2003 - B 9 SB 3/02 R = BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 und vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 = BSGE 67, 204 = SozR 3-3870 § 4 Nr 1).
2. Soweit Sachverständige eigene GdB-Werte angeben, handelt es sich um für das Gericht unverbindliche Vorschläge (vgl LSG Mainz vom 22.5.1996 - L 4 Vs 129/95 = Behindertenrecht 1996, 167-169 und LSG Essen vom 26.2.1998 - L 7 Vs 164/97).
3. Bezieht sich die Kritik des Klägers nicht auf die für die Beurteilung des Rechtsstreits maßgeblichen Befunde, sondern allein auf deren Bewertung bei der GdB-Bemessung, so ist ein weiterer Erkenntnisgewinn durch Befragung eines Sachverständigen nach § 118 Abs 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO nicht zu erlangen.
Normenkette
VersMedV § 1 Abs. 1, 3, § 30 Abs. 1, § 35 Abs. 1; SGG § 118 Abs. 1, § 109; ZPO § 411 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.02.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des Grades der Behinderung(GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) im Streit.
Auf Antrag des Klägers vom 28.11.2006 stellte der Rechtsvorgängerdes Beklagten nach Auswertung von Befundberichten des Hausarztes Dr.C und des Neurologen Dr. L durch Bescheid vom 22.01.2007, bestätigtdurch Widerspruchsbescheid vom 19.03.2007 einen GdB von 20 fest wegeneines ängstlich-depressiven Syndroms, einer chronischen Magenschleimhautentzündungund Halswirbelsäulenbeschwerden (Cervico-cephales Syndrom).
Mit seiner hiergegen am 16.04.2007 bei dem Sozialgericht Köln erhobenenKlage hat der Kläger geltend gemacht, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungenerforderten die Festsetzung des GdB mit 50. Es bestehe eine Beinlängenverkürzungum 1,5 cm und dadurch bedingte (Fehl-)Belastungen und Schäden an derWirbelsäule. So lägen im Bereich C3 - C5 Veränderungen vor, die unfallbedingtoder degenerativer Natur sein könnten. Am 27.10.2000 habe er einenWegeunfall erlitten, der zu Schäden der Wirbelsäule und zu Veränderungendes Ligamentum alare auf der Halswirbelsäule geführt habe. Im Jahre1999 sei es zu einer vorübergehenden psychischen Erkrankung mit Panikattackengekommen. Ergänzend verweist er auf ein unfallchirurgisch-orthopädischesPrivatgutachten von Dr. A, U, vom 18.04.2001.
Das Sozialgericht hat die Gerichtsakte SG Köln - S 18 U 107/05- zu den Folgen eines Arbeitsunfalls des Klägers im Jahr 2004 sowieeinen Entlassungsbericht der Psychosomatischen Klinik C über einevon der gesetzlichen Rentenversicherung Anfang 2007 durchgeführtenReha - Maßnahme beigezogen. Es hat weiter Beweis erhoben durch Einholungjeweils zweier Gutachten auf neurologisch-psychiatrischen und orthopädischemFachgebiet, das Dr. H unter dem 10.01.2008 mit ergänzender Stellungnahmevom 15.04.2008 und Dr. W unter dem 28.12.2008 sowie Dr. C1 unter dem21.02.2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 06.05.2008 und Dr. Uunter dem 04.11.2008 erstellt haben. Die Sachverständigen sind zudem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger ein statisches Wirbelsäulensyndrombei Beinverkürzung rechts von 1,5 cm, muskuläre Verspannungen im Hals-und Lendenbereich (Einzel-GdB 10), eine Formstörung beider Hüftgelenkemit knöchernem Engpass-Phänomen, Zustand nach Knoch-Knorpelglättung(Einzel-GdB von 10), eine psychische Beeinträchtigung (Einzel-GdB20) sowie eine chronische Gastritis (Einzel-GdB 10) bestünden. DerGesamt-GdB sei mit 20 zu bemessen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 17.02.2009 abgewiesen.In Anwendung der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3,des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes(Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) sei die Festsetzung eineshöheren GdB als 20 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gerechtfertigt.Der Sachverständige Dr. U habe im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäulelediglich minimale bzw geringe funktionelle Auswirkungen festgestellt.Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen nur einEinzel-GdB von 10 zuzuordnen. Ähnliches gelte hinsichtlich der Bewegungsstörungbeider Hüftgelenke. Zudem bestehe bei dem Kläger eine Angststörunggeringen Ausmaßes auf dem Boden einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstruktur(Dr....