Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem für eine Klinik tätigen Arzt

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Ist ein für eine Klinik tätiger Arzt einem weitgehenden Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt seines Auftraggebers unterworfen, richtet sich die Vergütung nach einem Tageshonorar für einen 8-Stunden-Dienst mit zusätzlicher Überstundenregelung, erfolgt die Diensteinteilung nach einem Dienstplan, stellt er seine Tätigkeit ausschließlich seinem Auftraggeber in Rechnung und hat er ein eigenes Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

3. Dies gilt auch beim Fehlen von Regelungen zu Ansprüchen auf Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.8.2014 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 8.2.2017 wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 4), die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, tragen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) gesamtschuldnerisch zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.

Der Streitwert wird auf 4.132,50 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Anästhesist für die Klägerin in den Zeiträumen vom 15.11.2010 bis zum 4.12.2010, vom 20.12.2010 bis zum 23.12.2010, vom 18.4. bis 12.6.2011, vom 18.7. bis 5.8.2011, vom 2. bis 9.9.2011 und vom 5. bis 28.10.2011 in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Die Klägerin betreibt Kliniken an vier Standorten (Bad E, C, I, T). Ihre Rechtsvorgängerin war die L Krankenhäuser Bad E gGmbH, deren Rechtsnachfolgerin die St. B und St. S-Kliniken gGmbH in C wurde, die wiederum in die L X gGmbH, die Klägerin, umfirmierte.

Auf Veranlassung des Hauptzollamtes führte die Beklagte bei der L. Krankenhäuser Bad E gGmbH eine Betriebsprüfung gem. § 28p SGB IV für den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2010 durch, bei der es um die Tätigkeit von namentlich nicht benannten Honorarärzten ging. Abgeschlossen wurde diese Prüfung mit einem Vergleichsvertrag gem. § 54 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vom 22.2.2011, in dem sich die Vertragsparteien darauf verständigten, dass Beiträge in Höhe von 39.570,85 Euro einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 9.527,00 Euro nachgezahlt werden. Auf den weiteren Inhalt dieses Vertrages wird verwiesen.

Der Beigeladene zu 1) war für die Klägerin in den oben genannten Zeiträumen mit Ausnahme des Zeitraums vom 23.5. bis 10.6.2011 als Anästhesist an ihrem Klinikstandort in Bad E (St. K-Hospital) tätig. Chefarzt der Anästhesie war der Zeuge Dr. H. Im Zeitraum vom 23.5. bis 10.6.2011 arbeitete der Beigeladene zu 1) am Klinikstandort in C (St. X-Hospital) als Anästhesist. Als niedergelassener Arzt mit eigener Praxis war der Beigeladene zu 1) nicht tätig.

Grundlage der Zusammenarbeit der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und des Beigeladenen zu 1) war die "Rahmenvereinbarung" (RV) vom 20./22.10.2010, die auszugsweise wie folgt lautete:

"Präambel

Mit der nachfolgenden Vereinbarung werden die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit als Honorararzt festgelegt. Sie regeln die Schnittstellen zwischen den pflegenden und ärztlichen in den Organisationsablauf eingegliederten und dem Direktionsrecht unterliegenden Mitarbeitern und den freitätigen Honorarärzten.

I. Geltungsbereich

Die nachstehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten für sämtliche Dienstleistungsverträge, die mit freiberuflichen Ärztinnen/Ärzten abgeschlossen werden. Sie sind Bestandteil des Honorararztvertrages.

II. Erbringung von Dienstleistungen

Das Krankenhaus und die freiberufliche Ärztin/der freiberufliche Arzt vereinbaren die Leistung eigenständiger und eigenverantwortlicher ärztlicher Tätigkeit in dem vereinbarten Zeitraum. Den Ärzten ist bekannt, dass sie hierbei auch an Schnittstellen zu angestellten Mitarbeitern tätig werden. Die Abgrenzung der Tätigkeit wird die freiberufliche Ärztin/der freiberufliche Arzt eigenverantwortlich besprechen, um die jeweilige ärztliche Tätigkeit, deren Durchführung und Dokumentation optimal zu gewährleisten sowie Reibungsverluste an den Schnittstellen zu vermeiden, um so Diagnostik u...

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