Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Beginn der Verzinsung gem § 44 SGB 1. Vergleich. Anerkennung einer BK. Verletztenrentennachzahlung. Leistung von Amts wegen. vollständiger Leistungsantrag. Auslegung. Wille des Gesetzgebers. Fälligkeit. Versicherungsfall
Orientierungssatz
1. Zum Beginn der Verzinsung eines gewährten Nachzahlungsbetrages gem § 44 SGB 1 anlässlich eines Vergleichs über die Anerkennung einer Berufskrankheit und einer Rentenzahlung.
2. Geht es zwar um antragsunabhängige Leistungen, ist aber dennoch ein (nicht erforderlicher) Antrag gestellt worden, liegen die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 44 Abs 2 SGB 1 vor und es ist bei der Prüfung der Verzinsung immer von diesem Antrag auszugehen. Handelt es sich um ein Verfahren zur Feststellung der Verletztenrente, das ausschließlich von Amts wegen geführt wird und keines Antrags bedarf (§ 19 S 2 SGB 4), kann die Sechsmonatsfrist des § 44 Abs 2 Alt 1 SGB 1 nach der Rechtsprechung des BSG sogar schon dann zu laufen beginnen, wenn der Berechtigte durch eine Mitteilung der Behörde Kenntnis von einem zu einer BK eingeleiteten Verwaltungsverfahren erhält (vgl BSG vom 11.8.1983 - 5a RKnU 5/82 = BSGE 55, 238).
3. Ändern sich nach einem vom Kläger gestellten ersten Antrag die Verhältnisse und entsteht der beantragte Anspruch nachträglich, wirkt erst ein hierauf gerichteter Antrag für den Verzinsungsbeginn nach § 44 Abs 2 Alt 1 SGB 1. Ein solcher - zweiter - Antrag muss jedoch jedenfalls in Verfahren, die wie hier im Unfallversicherungsrecht ohnehin keinen Antrag voraussetzen, nicht ausdrücklich gesondert schriftlich gestellt werden. Vielmehr ist ein entsprechender Antrag in der fortdauernden Anfechtung der ablehnenden Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu sehen.
4. Liegt ein vollständiger - rechtserheblicher - Leistungsantrag (hier: Versicherungsfall als erneuter Leistungsantrag) vor, bleibt für die Anwendung der 2. Alternative des § 44 Abs 2 SGB 1 zulasten des Versicherten schon nach dem Wortlaut kein Raum.
Normenkette
SGB I § 44 Abs. 1-2; SGB VII § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 1, § 56 Abs. 1 S. 1, § 72 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.12.2014 geändert. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 17.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 verurteilt, die Rentennachzahlung ab dem 01.01.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu verzinsen.
Im Übrigen werden die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu 9/10.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Beginn der Verzinsung eines an den Kläger aus Anlass der Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) gewährten Nachzahlbetrages.
Mit Schreiben vom 28.03.2003 zeigte die Krankenkasse des Klägers, die Bahn-BKK, der Eisenbahnunfallkasse als Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) eine Berufskrankheit nach § 9 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) an. Die Beklagte informierte den Kläger über die Einleitung eines BK-Feststellungsverfahrens und bat ihn, sich bei einem Facharzt zur Erstellung einer ärztlichen Anzeige vorzustellen (Schreiben vom 02.04.2003). Eine entsprechende Anzeige erfolgte durch den Facharzt für Dermatologie, Allergologie, Herrn I, mit Datum vom 10.04.2003. Ein von der Beklagten erbetenes Formular zur BK sandte der Kläger ausgefüllt am 24.04.2004 an diese zurück.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK 5101 mit Bescheid vom 23.12.2003 ab und wies den Widerspruch des Klägers vom 20.01.2004 mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2004 zurück. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf S 1 U 36/04 (Klage vom 19.05.2004, Klageantrag vom 07.10.2004) verurteilte das SG die Beklagte zur Anerkennung der BK und zur Rentenzahlung (Urteil vom 03.02.2006). In dem sich anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG, Az.: L 17 U 52/06) schlossen die Beteiligten im Verhandlungstermin am 15.09.2010 einen Vergleich über die Anerkennung der BK 5101 und eine Rentenzahlung von Juli 2004 bis Juni 2007. Diesen Vergleich führte die Beklagte mit Bescheid vom 16.11.2010 aus und setzte einen Nachzahlbetrag von 15.627,96 Euro fest, der im Dezember 2010 ausgezahlt wurde.
Am 05.01.2011 beantragte der Kläger die Zahlung von Zinsen auf den Nachzahlbetrag. Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 17.01.2011 eine Verzinsung gem. § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) für den Zeitraum vom 01.11.2010 bis 30.11.2010 vor. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 20.01.2011, mit dem dieser eine Verzinsung bereits ab 01.07.2004 begehrte, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2011 zurück. Nach der aktuellen Rechtsprechung des ...