Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. nachträglich ausgezahltes Arbeitsentgelt. Arbeitslosengeldbezug für Teilmonat. Zuflussprinzip. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Das vertragsgemäß im Januar 2005 nachträglich ausgezahlte Arbeitsentgelt aus dem bereits im Vormonat beendeten Arbeitsverhältnis und das für den anteiligen Monat (Januar 2005) bezogene Arbeitslosengeld sind nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 2 Abs 2 S 1 AlgIIV als Einkommen im Monat des tatsächlichen Zuflusses zu berücksichtigen. Dies gilt auch, wenn das Arbeitsentgelt zur Ablösung eines Dispositionskredites verwendet wird.
2. Das in § 2 Abs 2 AlgIIV normierte Zuflussprinzip verletzt nicht Verfassungsrecht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.08.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II (Alg II) für den Monat Januar 2005.
Nach Antragstellung auf Alg II am 09.11.2004 ging der Kläger ab 15.11.2004 ein Arbeitsverhältnis mit der S Zeitarbeit und Industriemontagen GmbH & Co KG in I ein, wobei beabsichtigt war, den Kläger bei der Firma L in T voraussichtlich zumindest bis März 2005 einzusetzen. Wegen Arbeitsmangels teilte die Firma L jedoch bereits im Dezember 2004 mit, den Kläger nicht weiter beschäftigen zu können. Als Arbeitsentgelt für Dezember 2004 wurden dem Kläger am 18. Januar 2005 704,10 EUR gezahlt. Zudem erhielt er im Januar 2005 noch bis 10.01.2005 Alg I nach einem kalendertäglichen Satz von 26,39 EUR, das ihm ab 18.12.2004 bewilligt worden war.
Mit Bescheid vom 18.01.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit der Begründung ab, vom 01. bis 31.01.2005 habe keine Bedürftigkeit des Klägers vorgelegen, weil das Einkommen aus seiner Beschäftigung sowie das Einkommen aus Alg den Bedarfssatz des Monats übersteige. Für den Zeitraum ab 01.02.2005 werde Alg II bewilligt in Höhe von 636,47 EUR monatlich.
Seinen dagegen am 20.01.2005 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger wie folgt: Die Zahlung der Zeitarbeitsfirma S sei vertragswidrig einen Monat zu spät erfolgt. Dies dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, weil er auf den Zahlungszeitpunkt keinen Einfluss gehabt habe. Die Zahlungen seien für den Lebensunterhalt im Dezember 2004 bestimmt gewesen. Seine finanziellen Verpflichtungen aus diesem Monat seien noch zu erfüllen. Er sehe sich in seinem Grundrecht aus Artikel 14 Grundgesetz (GG) verletzt, weil er für einen Monat ohne jegliche Zahlungen geblieben sei und damit im Monat Januar 2005 gleichsam eine Enteignung stattgefunden habe. Auch das Sozialstaatsprinzip aus Artikel 20 GG sei verletzt, wenn aufgrund seiner im Dezember 2004 erarbeiteten Lohnansprüche im nachfolgenden Monat keine Sozialleistungen gewährt würden. Zudem sei § 2 Arbeitslosengeld/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) nicht anwendbar. Es handele sich bei der letzten Arbeitsentgeltzahlung nicht um eine laufende Einnahme im Sinne der Verordnung. Von laufenden Einnahmen könne nur bei monatlich wiederkehrenden Zahlungen gesprochen werden. Zudem sei § 2 Alg II-V insgesamt rechtswidrig und nicht von § 13 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) gedeckt.
Durch arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 14.02.2005 wurde das am 21.01.2005 zum 04.02.2005 gekündigte Arbeitsverhältnis des Klägers mit der S GmbH & Co KG mit Ablauf des 17.12.2004 für beendet erklärt und als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 1.050,00 EUR vereinbart. Die Zahlung der Abfindung an den Kläger erfolgte am 22.03.2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, im Januar 2005 habe der Kläger lediglich einen Gesamtbedarf in Höhe von 636,74 EUR gehabt. Dieser Betrag werde durch die Einnahmen im Monat Januar bei weitem überstiegen. Die Beurteilung, ob es sich bei Einkünften um "laufende Einnahmen" handele, richte sich nach der Art der Einkünfte. So sei Arbeitsentgelt für den letzten Monat einer Beschäftigung vor Entstehung des Anspruchs auf Alg II als laufendes Einkommen und nicht als einmalige Einnahme im ersten Anspruchsmonat anzurechnen. Dabei sei grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen. Dies entspreche auch den vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und dem Bundessozialgericht (BSG) zur Sozialhilfe bzw. Arbeitslosenhilfe entwickelten Grundsätzen. Das dem Kläger tatsächlich erst im Januar 2005 zugeflossene Arbeitsentgelt sei daher als Einkommen im Januar 2005 zu berücksichtigen. Auch unter Berücksichtigung der Absetzungen nach § 11 Abs. 2 SGB II ergäbe sich ein einzusetzendes Einkommen von 488,46 EUR, das zusammen mit dem Alg I in Höhe von 263,90 EUR den Bedarf in Höhe von 636,47 EUR übersteige.
Am 04.08.2005 hat ...