Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistungsrecht. Wartefrist für Analogleistung. minderjähriges Kind vor Vollendung des dritten bzw vierten Lebensjahres im Elternhaushalt. Leistungsausschluss. Leistungshöhe gem § 3 AsylbLG. Verfassungsmäßigkeit. Völkerrechtskonformität
Orientierungssatz
1. Die Wartefrist für den Anspruch auf Analogleistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG ist unabhängig von Familienstand und Alter des Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zu beurteilen (hier: kein Anspruch eines Kindes vor Vollendung seines dritten bzw vierten Lebensjahres). Eine erweiternde Auslegung der Norm selbst kommt nicht in Betracht.
2. Die Vorschrift des § 2 Abs 3 AsylbLG stellt lediglich eine Einschränkung des Anspruchs aus § 2 Abs 1 AsylbLG dar; sie begründet weder eine uneingeschränkte Akzessorietät der Ansprüche grundsätzlich nach dem AsylbLG leistungsberechtigter minderjähriger Kinder zu den Ansprüchen der mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern noch bildet sie eine eigene Anspruchsgrundlage.
3. Der Leistungsausschluss des § 2 Abs 1 AsylbLG für minderjährige Kinder vor Vollendung des 3. bzw ab 28.8.2007 des 4. Lebensjahres stellt keinen Verstoß gegen übergeordnetes Recht, insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG oder gegen Art 27 Buchst b UNKRÜbk dar.
4. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Leistungen nach § 3 AsylbLG, die für das Jahr 2007 mit etwa 35% unter den Regelsätzen nach dem SGB 12 eingestuft werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.06.2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit vor Vollendung des dritten Lebensjahres.
Der einkommens- und vermögenslose Kläger wurde am 00.00.2003 als Sohn türkischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Die Eltern des Klägers reisten mit dem am 00.00.2001 geborenen Bruder des Klägers am 00.10.2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Asylanträge vom 23.10.2003 blieben erfolglos. Der Kläger erhielt ab Mai 2003 (Antrag vom 05.05.2003) wie seine Eltern und sein Bruder Leistungen nach § 3 AsylbLG. Gegen einen entsprechende Leistungen bewilligenden Bescheid vom 12.10.2005 für die Zeit ab 01.10.2005 machte die Familie Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG geltend. In der Folge eines beim Sozialgericht Duisburg anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 31 AY 1/06 ER) bewilligte die Beklagte den Eltern des Klägers und seinem älteren Bruder mit Änderungsbescheid vom 30.01.2006 für die Zeit ab 01.10.2005 Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Hinsichtlich des Klägers bewilligte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2006 und weiterem Bescheid vom 12.05.2006 ab 25.04.2006 entsprechende Leistungen. Zur Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen führte die Beklagte aus, der Kläger erfülle für die Zeit vor Vollendung seines dritten Lebensjahres noch nicht die von Gesetzes wegen geforderte 36-monatige Wartefrist.
Am 12.06.2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben und geltend gemacht, er habe bereits vor Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Der Anspruch ergebe sich aus § 2 Abs. 3 AsylbLG. Danach reiche aus, dass ein Elternteil der Haushaltsgemeinschaft entsprechende Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte. Es sei nicht notwendig, dass das Kind selbst 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen habe. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der § 2 Abs. 3 AsylbLG eingefügt habe, um zu gewährleisten, dass innerhalb einer Familie minderjährigen Kindern keine anderen Leistungen gewährt würden als den mit ihnen in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern. Die mit der Gewährung geringerer Leistungen nach § 3 AsylbLG verfolgten Ziele (Vermeidung von Asylmissbrauch und Schlepperunwesen sowie Abschreckung vor einer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland) könnten bei einer Leistungskürzung für Kleinkinder bis zum Alter von drei Jahren nicht realisiert werden. Da das AsylbLG nunmehr auch für solche Ausländer anwendbar sei, für die eine freiwillige Ausreise ohnehin nachweislich unmöglich oder unzumutbar sei, sei es verfassungsrechtlich bedenklich, allen Kindern bis zum Alter von drei Jahren nur die erheblich geringeren Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Eine Auslegung im Sinne der Beklagten mache § 2 Abs. 3 AsylbLG im Ergebnis überflüssig. Auch das Sozialgericht Hamburg (S 49 AY 11/06 ER) habe entschieden, dass Kinder bei einem entsprechenden Anspruch ihrer Eltern ebenfalls einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG hätten. Die Auslegung der Beklagten verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) sowie gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 20 GG und gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Dass die Vorschrift des § 2 AsylbLG der...