Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtsermittlungspflicht des Gerichts bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides des Grundsicherungsträgers zur Aufhebung von Grundsicherungsleistungen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft
Orientierungssatz
1. Die Amtsermittlungspflicht des Gerichts aus § 103 SGG ist verletzt, wenn der dem Sozialgericht bekannte Sachverhalt von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus nicht für das gefällte Urteil ausreicht, sondern sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen, vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1993 - 11 RAr 75/92.
2. Bei seiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines gegenüber den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft ergangenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides ist das Gericht verpflichtet, Feststellungen hinsichtlich der Höhe des Bedarfs jeder einzelnen Person der Bedarfsgemeinschaft und des Gesamteinkommens der Bedarfsgemeinschaft für jeden einzelnen Monat im Aufhebungszeitraum zu treffen.
3. Das Gesamteinkommen ist nach der horizontalen Berechnungsmethode entsprechend dem Verhältnis des jeweiligen Einzelbedarfs am Gesamtbedarf prozentual auf den Bedarf der einzelnen Mitglieder aufzuteilen. Dabei verändert jede Änderung der Höhe des Einzelbedarfs eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft den prozentualen Anteil des einzelnen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft innerhalb der horizontalen Berechnungsmethode, vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07.
4. Ist aufgrund der Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das Sozialgericht eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich, so kann das Berufungsgericht angesichts der Schwere des Verfahrensfehlers und der Erhaltung einer zweiten Tatsacheninstanz den Rechtsstreit an das Sozialgericht nach § 159 Abs. 1 SGG zurückverweisen.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08.01.2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.07.2008 sowie vom 01.09.2008 bis zum 31.12.2009 und die Rückforderung von insgesamt 10.719,93 EUR.
Der am 00.00.1954 geborene Kläger ist verheiratet. Er hat mit seiner Ehefrau N C (C.) zwei gemeinsame Kinder, den am 00.00.1996 geborenen Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3). Aus seiner ersten Ehe hat der Kläger zu 1) eine am 00.00.1991 geborene Tochter. Der Kläger zu 1) bezog für den Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) ab dem 01.01.2008 Kindergeld in Höhe von mtl. 308,00 EUR bzw. ab dem 01.01.2009 328,00 EUR. Der Kläger zu 1) ist an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus erkrankt.
(C.) übte ein Reisegewerbe für Veranstaltungen aus. Sie betrieb einen Imbissstand. Der Kläger zu 1) gab gegenüber der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagter) an, dass seine Ehefrau ihr Reisegewerbe nur in der Zeit von Mai bis August jeden Jahres ausübe. In der restlichen Zeit des Jahres betreibe sie ihr Gewerbe nicht. Laut den dem Beklagten vorgelegten vorläufigen Einnahmeüberschussrechnungen erwirtschaftete C. in der Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2009 folgende Gewinne:
vom 01.01. bis 30.04.2008 0,00 EUR (Einnahmen/Ausgaben 0,00 EUR)
Mai 2008 53,45 EUR (6.552,00 EUR Einnahmen abzgl. 6.498,55 EUR Ausgaben) Juni 2008 238,05 EUR (4.685,00 EUR Einnahmen abzgl. 4.446,95 EUR Ausgaben)
Juli 2008 238,05 EUR (4.685,00 EUR Einnahmen abzgl. 4.446,95 EUR Ausgaben)
August 2008 1.486,46 EUR (5.875,00 EUR Einnahmen abzgl. 4.388,54 EUR Ausgaben)
01.09. 2008 bis 30.04.2009 0,00 EUR (Einnahmen/Ausgaben 0,00 EUR)
Mai 2009 270,53 EUR (5.795,00 EUR Einnahmen abzgl. 5.524,47 EUR Ausgaben) Juni 2009 66,45 EUR (715,00 EUR Einnahmen abzgl. 648,55 EUR Ausgaben)
Juli 2009 777,25 EUR (4.735,00 EUR Einnahmen abzgl. 5.512,25 EUR Ausgaben)
August 2009 37,03 EUR (625,00 EUR Einnahmen abzgl. 662,03 EUR Ausgaben).
1.09. bis zum 31.12.2009 0,00 EUR (Einnahmen/Ausgaben 0,00 EUR)
In der Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2009 erzielte der Kläger zu 1) durch den Verkauf von Altmetall an die Firma C Metall GmbH in Essen bzw. N Essen GmbH in Essen Einnahmen in Höhe von insgesamt 17.434,11 EUR, die sich wie folgt zusammensetzen:
Januar 2008 349,37 EUR Februar 2008 970,88 EUR März 2008 1.541,10 EUR April 2008 2.250,07 EUR Mai 2008 905,28 EUR August 2008 1.775,53 EUR September 2008 950,38 EUR Oktober 2008 758,49 EUR November 2008 1.140,63 EUR Dezember 2008 231,70 EUR Januar 2009 1.311,07 EUR Februar 2009 1.239,94 EUR März 2009 891,47 EUR April 2009 194,53 EUR Juni 2009 144,39 EUR September 2009 1.450,44 EUR Oktober 2009 844,37 EUR November 2009 357,61 EUR Dezember 2009 126,86 EUR.
Seit dem 01.01.2005 bezog die Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus dem Kläger zu 1), seiner Ehefrau und den beiden Kindern, durchgeh...