Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Grades der Behinderung nach rezidivfreiem Ablauf der Heilungsbewährung einer Krebserkrankung. Wesentliche Änderung. Teilverlust der Schilddrüse. Somatoforme Schmerzstörung. Verlust einer Nebenniere. Kniegelenksbeschwerden. Wirbelsäulenschaden
Orientierungssatz
1. Bei einer Herabsetzung des Grades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht ist maßgeblich auf einen Vergleich zwischen dem Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des letzten Feststellungsbescheides und zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Rahmen des Aufhebungsbescheides gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB 10 abzustellen.
2. Eine wesentliche Änderung i. S. von § 48 Abs. 1 S. 1 SGB 10 ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen eine Herabsetzung oder Erhöhung des GdB um wenigstens 10 ergibt. Einen Sonderfall stellt die Neufeststellung nach Ablauf der sog. Heilungsbewährung bei Krebserkrankungen dar. Hier wird pauschal zunächst ein höherer GdB gegenüber der tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigung angenommen. Bei erfolgreichem Ablauf der Heilungsbewährung liegt eine wesentliche Änderung i. S. von § 48 Abs. 1 SGB 10 vor.
3. Nach Entfernung eines malignen Schilddrüsenkarzinoms ist eine Heilungsbewährung von fünf Jahren abzuwarten.
4. Nach rezidivfreiem Ablauf der Heilungsbewährung ist eine Beurteilung des GdB nur nach den tatsächlich bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen vorzunehmen.
Normenkette
SGB IX § 69 Abs. 3 S. 1; VersMedV Anl. Teil A Nr. 3; VersMedV Anl. Teil B Nr. 3.7; VersMedV Anl. Teil B Nr. 12.1.4; VersMedV Anl. Teil B Nr. 15.6; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.08.2013 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 30.
Mit Bescheid vom 22.02.2008 stellte der Beklagte bei der am 00.00.1956 geborenen Klägerin einen GdB von 50 wegen eines Teilverlustes der Schilddrüse bei Gewebeneubildung 07/2005 (Einzel-GdB 50), Verlustes der linken Nebenniere bei Gewebeneubildung 07/2005 nach Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung (Einzel-GdB 10) und eines Halswirbelsäulen- und Schulter-Arm-Syndroms sowie einer Funktionseinschränkung der rechten Schulter (Einzel-GdB 10) fest.
Im September 2010 leitete der Beklagte eine Nachprüfung der bisherigen Feststellungen von Amts wegen ein und zog Befundberichte des Radiologen Dr.T und der Ärztin für Innere Medizin Dr. T vom 06.04.2011 bei. Mit Anhörungsschreiben vom 06.06.2011 teilte er der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, den Bescheid vom 22.02.2008 ersatzlos aufzuheben. In Anbetracht der besonderen Umstände sei der GdB der Klägerin höher als allein nach den objektiv vorliegenden Funktionseinschränkungen festgestellt worden. Die Auswertung der beigezogenen Befundberichte habe ergeben, dass hinsichtlich der festgestellten Beeinträchtigung "Teilverlust der Schilddrüse" Heilungsbewährung eingetreten sei. In den letzten Jahren seien Rückfälle nicht aufgetreten und das Risiko eines Rückfalls sei erheblich reduziert; der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich stabilisiert. Die Klägerin teilte daraufhin mit, sie sei hiermit nicht einverstanden. Mit Bescheid vom 12.07.2011 stellte der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2008 fest, dass der GdB bei der Klägerin weniger als 20 vH betrage.
Zur Begründung des hiergegen am 02.08.2011 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin unter Vorlage einer Bescheinigung von Dr.T vor, ihr Krankheitsbild habe sich negativ weiterentwickelt. Hierdurch sei ihr Alltag sehr beeinträchtigt.
Mit Abhilfebescheid vom 05.10.2011 stellte der Beklagte einen GdB von 30 wegen folgender Gesundheitsstörungen fest: 1. Teilverlust der Schilddrüse - Einzel-GdB 10 2. Verlust der linken Nebenniere - Einzel-GdB 10 3. Halswirbelsäulen- und Schulter-Arm-Syndrom, Funktionseinschränkung der rechten Schulter- Einzel-GdB 10 4. Erkrankung des rheumatischen Formenkreises - Einzel-GdB 30
Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und führte aus, die Beeinträchtigung im Funktionssystem Stoffwechsel, innere Sekretion sei mit einem Einzel-GdB von 60 anzusetzen. Aufgrund des Zustandes nach Schilddrüsen-OP 2005 leide sie ständig unter vermehrter Schweißbildung, Unruhe, Nervosität, Kopfschmerzen, Schlafproblemen und Tagesmüdigkeit sowie Verdauungsproblemen. Hinsichtlich des Zustandes nach operativer Entfernung der linken Nebenniere habe der Beklagte zu Unrecht nur einen Zeitraum von zwei Jahren für die Feststellung einer Heilungsbewährung angesetzt. Insofern sei ein Zeitraum von acht bis zehn Jahren anzusetzen. Die Beeinträchtigungen im Funktionssystem Arme seien mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten. Sie leide an Gelenkschmerzen ua in den Ellenbogen beidseits, Schulter- und Handgelenken, einer Schwäche der Muskulatur und häufig eingeschlafenen Finger...