Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Rechtmäßigkeit der Teilnahme ein und desselben Arztes mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag sowohl an der haus- als auch an der fachärztlichen Versorgung

 

Orientierungssatz

Grundsätzlich kann ein und derselbe Arzt mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag sowohl an der haus- als auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte und die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe tragen die Kosten des zweiten Rechtszugs zu je ½ als Gesamtschuldner.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Sonderbedarfszulassung des Klägers als Facharzt für Chirurgie in G mit hälftigem Versorgungsauftrag neben bestehender, auf die Hälfte zu reduzierender (bisher voller) Zulassung als Hausarzt am selben Arztsitz.

Der Kläger ist seit dem 30.10.1999 Facharzt für Chirurgie und seit dem 30.06.2001 auch Facharzt für Allgemeinmedizin. Er verfügt über die Zusatzbezeichnung Chirotherapie. Seit dem 23.07.2001 nimmt er in einer hausärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in G als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit dem 01.04.2011 ist er dort auch Durchgangsarzt. Wegen der schlechten chirurgischen Versorgung vor Ort wurde der Kläger befristet zur Erbringung spezifisch fachärztlicher Leistungen, insbesondere teilradiologischer Leistungen (von 01.01.2003 bis 31.12.2010) und ambulanter Operationen (01.04.2005 bis 31.03.2012) zugelassen (§ 73 Abs. 1a Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)).

Am 03.02.2011 beantragte der Kläger beim Zulassungsausschuss, ihn für den Vertragsarztsitz der BAG als Facharzt für Chirurgie - unter Reduzierung des hausärztlichen Versorgungsauftrags auf die Hälfte - im Wege einer Sonderbedarfsfeststellung gemäß § 26 i.V.m. § 24a Bedarfsplanungs-Richtlinie Ärzte (BedarfsplRL-Ä) zur fachärztlichen Versorgung mit hälftigem Versorgungsauftrag nach § 19a Abs. 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) zuzulassen. Der Bedarf für sein fachärztliches Tätigwerden bestehe weiterhin. Genehmigungen nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V könnten ihm als Allgemeinmediziner nach der neueren Rechtsprechung des BSG allerdings nicht mehr erteilt werden.

Unter dem 09.02.2011 sprach sich die zu 6.) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KV WL) für eine solche Zulassung mit dauerhafter Bindung an die Gemeinde G aus. Der Kreis Olpe (139.666 Einwohner) sei mit Chirurgen zwar etwas überversorgt, in der kreiszugehörigen Gemeinde G (17.706 Einwohner) gäbe es jedoch keinen Chirurgen und von den anderen sei nur Dr. B in B in zumutbarer Zeit (ca. 30 min) mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.

Gleichwohl lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag mit der Begründung ab, dass der aktuelle Versorgungsgrad mit Chirurgen im Planungsbereich Olpe bei 167 % liege und die entsprechenden Praxen von G aus auch zumutbar erreicht werden könnten (Beschluss vom 23.03.2011).

Gegen diesen Beschluss legte der Kläger am 21.04.2011 Widerspruch ein und führte aus: Durch seine hälftige chirurgische Sonderbedarfszulassung sollten auch künftig das ambulante Operieren sowie Röntgenleistungen in G sichergestellt bleiben. Die dort lebenden Versicherten könnten nicht auf Praxen anderer Chirurgen verwiesen werden. Insbesondere für Versicherte aus Gemeinden nördlich von G seien andere chirurgische Praxen nicht binnen 45 Minuten mit dem ÖPNV zu erreichen. Auch stehe nicht fest, dass die bisher von ihm chirurgisch und radiologisch versorgten Versicherten von anderen Praxen aufgefangen werden könnten. Die Beigeladene zu 6) teilte mit, dass die zugelassenen Chirurgen im Kreis Olpe der hälftigen Zulassung des Klägers einhellig zugestimmt hätten.

Der Beklagte wies den Widerspruch dennoch zurück (Beschluss vom 28.09.2011). Er führte aus, dass ein und derselbe Arzt nicht gleichzeitig - mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag - an der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung teilnehmen könne. Die Trennung der beiden Versorgungsbereiche, wie sie sich aus §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 87 Abs. 2a Satz 5 SGB V ergebe und nur unter den vorliegend nicht gegebenen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1a SGB V durchbrochen werden könne, begegne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auf die tatsächliche Bedarfssituation, die man nicht abschließend ermittelt habe, komme es deshalb nicht an. Auch eine Umwidmung zur fachärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a Satz 5 SGB V scheide aus.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die in § 73 SGB V angelegte Trennung in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich schließe nicht aus, dass ein Arzt jeweils zur Hälfte in beiden Versorgungsbereichen tätig sein könne. Ein für zwei Fachgebiete qualifizierter Vertragsarzt könne ohne weiteres für jedes Teilgebiet hälftig zugelassen werden. § 73 Abs. 1a SGB V stehe dem nicht entgegen, sondern solle allein verhindern...

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