Entscheidungsstichwort (Thema)

Angabe einer zustellungsgeeigneten Anschrift des Klägers als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage

 

Orientierungssatz

1. Ein Rechtsschutzbegehren setzt zu seiner Zulässigkeit regelmäßig voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtssuchenden genannt wird, die sich zu Zustellungszwecken eignet. Dies ist bei einer Postfachanschrift nicht der Fall.

2. Enthält die Klageschrift keine zustellungsgeeignete und damit auch keine ladungsfähige Anschrift, so ist die Klage jedenfalls dann unzulässig, wenn die Angabe ohne Weiteres möglich ist und kein schützenswertes Interesse hinsichtlich der Geheimhaltung einer Anschrift entgegensteht.

3. Der Unzulässigkeitsgrund der Klage schlägt nicht i. S. einer Unzulässigkeit der Berufung selbst durch. Dem Kläger muss es zwecks Wahrung eines fairen Verfahrens möglich sein, die vom erstinstanzlichen Gericht verneinte Frage der ordnungsgemäßen Klageerhebung durch eine höhere Instanz überprüfen zu lassen, ohne durch die Mitteilung seiner Anschrift in der Rechtsmittelschrift seinen eigenen Rechtsstandpunkt von vorneherein gleichsam aufzugeben.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 19.09.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 19.09.2011, mit dem seine Klage u.a. auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgewiesen worden ist.

Der Kläger bezog von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) seit 2005 Leistungen nach dem SGB II, die ihm zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum bis zum 30.09.2010 bewilligt worden waren.

Der Kläger hat - wohl - seinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, korrespondiert und prozessiert jedoch über ein Postfach.

Auf den für die Zeit ab dem 01.10.2010 gestellten Leistungsantrag vom 14.06.2010 forderte der Beklagte den Kläger auf, Kontoauszüge mehrerer Konten zu übersenden.

Mit Bescheid vom 10.09.2010 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag vom 14.06.2010 ab und wies den als Widerspruch angesehenen Schriftsatz des Klägers vom 06.10.2010 in dem Verfahren S 14 AS 1120/10 ER mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2012, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, zurück.

Nachdem die erforderte Mitwirkung trotz Erinnerung auch weiterhin ausgeblieben war, versagte der Beklagte mit öffentlich zugestelltem Bescheid vom 20.09.2011 Leistungen ab dem 01.07.2011 ganz.

Mit ausschließlich unter Angabe der Postfachanschrift versandtem Schreiben vom 28.07.2011, das beim Sozialgericht am 01.08.2011 eingetroffen ist, hat der Kläger um Rechtsschutz gebeten.

Dieses Rechtsschutzbegehren wurde zunächst als Begehren auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II angesehen. Den so verstandenen Antrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 06.09.2011 (S 38 AS 2726/11 ER, SG Duisburg) abgelehnt; die Beschwerde des Antragstellers wurde zurückgewiesen (Beschluss vom 23.11.2011 in dem Verfahren L 19 AS 1738/11 B ER, LSG NW).

Vor dem Hintergrund der Annahme des Klägers im Schreiben vom 17.08.2011, er habe ein Hauptsacheverfahren eingeleitet, sah das Sozialgericht das am 01.08.2011 eingegangene Schreiben des Klägers vom 28.07.2011 zugleich als Klageerhebung an.

Diese Klage hat das Sozialgericht - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - mit Gerichtsbescheid im vorliegenden Verfahren vom 19.09.2011, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, abgewiesen.

Gegen diesen öffentlich zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger - weiterhin unter ausschließlicher Angabe seiner Postfachadresse - Berufung eingelegt, zu deren Begründung auf den Schriftsatz vom 30.09.2011 Bezug genommen wird.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hat auf die Existenz des Versagungsbescheides vom 20.09.2011 hingewiesen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 19.09.2011 zurückzuweisen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakten im vorliegenden Rechtsstreit, der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der beigezogenen Akten in den abgeschlossenen Verfahren des Klägers

S 2 (27) AS 76/05, S 2 (27) AS 320/05 ER, S 3 AS 368/09 ER, S 14 AS 16/09 ER, S 14 (29) AS 107/09 ER, S 14 AS 3878/10 ER, S 14 AS 1120/10 ER, S 27 AS 311/05 ER, S 27 AS 141/09 ER, S 35 (32) AS 35/06, S 35 (32) AS 38/06, S 35 AS 152/07, S 35 AS 146/07, S 35 AS 128/07, S 35 AS 35/07, S 35 AS 15/07 ER, S 35 AS 184/08, S 35 AS 160/08 ER, S 35 AS 107/08, S 35 AS 101/08, S 35 AS 96/08, S 35 AS 34/08 ER, S 35 AS 30/09, S 35 AS 25/09 ER , S 38 AS 2726/11 ER

Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet auf der Grundlage von § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Besetzung mit dem Berichterstatter und den ehrenamtlichen Richter...

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