Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich. Rechtmäßigkeit der Festlegungen durch das BVA für das Ausgleichsjahr 2012 wegen Verzichts auf die Annualisierung der Kosten unterjährig verstorbener Versicherter. Rechtmäßigkeit der Übertragung der konkreten Ausgestaltung des Klassifikationsmodells einschließlich des Regressionsverfahrens auf das BVA. Beurteilung nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt des Erlasses. Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Ermittlung der Gewichtungsfaktoren. Verpflichtungsklage
Orientierungssatz
1. Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Ausgleichsjahr 2012 sind im Jahresausgleichsbescheid rechtmäßig festgesetzt worden, wenn nach den Festlegungen des Bundesversicherungsamtes (BVA) die Leistungsausgaben für im Berichtsjahr verstorbene Versicherte nicht annualisiert werden.
2. Dass § 31 Abs 4 S 1 RSAV dem BVA die konkrete Ausgestaltung des Klassifikationsmodells einschließlich des Regressionsverfahrens zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Risikozuschläge überträgt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl LSG Essen vom 6.6.2013 - L 16 KR 24/09 KL).
3. Für die Rechtmäßigkeit der Festlegung des Klassifikationsmodells und des Regressions- und Berechnungsverfahrens ist auf den Zeitpunkt des Erlasses der Festlegungen abzustellen (vgl LSG Essen vom 22.11.2012 - L 16 KR 88/09 KL und L 16 KR 249/09 KL und vom 4.7.2013 - L 16 KR 732/12 KL und L 16 KR 756/12 KL).
Normenkette
RSAV § 31 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1; SGB V § 266 Abs. 5-6
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Zuweisungen aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) für das Ausgleichsjahr 2012. Streitig ist, ob im Jahresausgleichsbescheid 2012 die Zuweisungen wegen eines Methodenfehlers bei der Berechnung der risikoadjustierten Zu- und Abschläge rechtswidrig zu niedrig festgesetzt worden sind, weil nach den Festlegungen des Bundesversicherungsamtes (BVA) die Leistungsausgaben für im Berichtsjahr verstorbene Versicherte nicht annualisiert werden.
Seit 1994 findet zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen jährlich ein Risikostrukturausgleich (RSA) statt. Er zielt darauf ab, die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Verteilung der Versicherten auf nach Alter und Geschlecht getrennte Versichertengruppen und Morbiditätsgruppen zwischen den Krankenkassen auszugleichen.
Die gesetzlichen Regelungen der §§ 266 ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sehen seit dem 01.01.2009 vor, die Versichertengruppen und die Gewichtungsfaktoren nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden, die zugleich die Morbidität der Versicherten unmittelbar berücksichtigen (so genannter Morbi-RSA). Die zur Bestimmung der Einzelheiten ergangene Regelung des § 31 Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) macht dazu in Abs. 1 nähere Vorgaben für das Versichertenklassifikationsmodell (u.a. Begrenzung auf 50-80 Krankheiten) und regelt in Abs. 2 und 3 die Berufung eines Wissenschaftlichen Beirats beim BVA, der Vorschläge für die Anpassung eines Klassifikationsmodells an die GKV und dessen Weiterentwicklung erarbeiten soll. Gemäß Abs. 4 legt das hierzu ermächtigte BVA auf der Grundlage dieser Empfehlung die zu berücksichtigenden Krankheiten, die aufgrund dieser Krankheiten zugrundezulegenden Morbiditätsgruppen, den Algorithmus für die Zuordnung der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und das Berechnungsverfahren zu Ermittlung der Risikostrukturzuschläge nach Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen fest und gibt diese Festlegungen in geeigneter Weise bekannt. Das Festlegungsverfahren ist dokumentiert auf der Homepage des BVA unter "Risikostrukturausgleich" - "Festlegungen".
Die dem RSA dienenden Zuschläge für alle Risikogruppen werden dabei durch ein für den Morbi-RSA in § 34 Abs. 1 Satz 1 RSAV vorgeschriebenes Regressionsverfahren ermittelt. Mittels dieses statistischen Verfahrens wird der quantitative Zusammenhang zwischen einer oder mehreren unabhängigen Variablen und einer abhängigen Variablen ermittelt. Die Ausgaben je Versichertem bilden die abhängige Variable, während die Zuordnung der Versicherten zu den Risikogruppen die unabhängige Variable bildet. Die sich ergebenden Regressionskoeffizienten sind als Anteile an den Ausgaben eines Versicherten zu interpretieren, die der jeweiligen Risikogruppe zugerechnet werden können. Sie werden als Jahreswerte ermittelt; da aber Zuweisungen taggenau (je Versichertentag) zugewiesen werden, werden die ermittelten Regressionskoeffizienten durch 365 geteilt. Da im Regressionsverfahren jeder Versicherte unabhängig von...