Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme gegenüber einem Vertragsarzt. Begründung einer Ermessensentscheidung des Disziplinarausschusses

 

Orientierungssatz

Zur Frage der ausreichenden Begründung einer Ermessensentscheidung in einem Beschluss des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung, das Ruhen der ärztlichen Zulassung wegen implausibler Honorarabrechnungen aufgrund einer Verletzung der Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung auch bei einem Schaden von 25.000 Euro anzuordnen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.12.2013; Aktenzeichen B 6 KA 36/13 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 31.10.2011 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten von Klage- und Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Disziplinarmaßnahme, die wegen implausibler Honorarabrechnungen in den Quartalen II/2005 bis IV/2006 verhängt worden ist.

Der am 00.00.1940 geborene Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin in Brilon zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Auf der Grundlage ihres Beschlusses vom 02.06.2008 informierte die Plausibilitätskommission der Beklagten den Kläger mit Anhörungsschreiben vom 03.06.2008 darüber, dass sich bei seinen Honorarabrechnungen für die Quartale II/2005 bis IV/2006 relevante Auffälligkeiten ergeben hätten. Der Kläger habe Leistungen in Ansatz gebracht, für die er an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden benötige; für die Quartale II/2005 bis lV/2006 fänden sich außerdem Überschreitungen der Gesamtminutenzeit von 46.800 Minuten. Auffällig sei dabei insbesondere der häufige Ansatz der Gebührenordnungsposition (GOP) 03120 EBM. Beigefügt waren beispielhaft Quartalsprofile und Tagesprofilübersichten sowie die Darstellung einzelner Spitzentage mit ihren zeitrelevanten Gebührenziffern. In seiner Stellungnahme vom 15.06.2008 erwiderte der Kläger: Wegen des außergewöhnlich hohen Arbeitsanfalls in seiner überdurchschnittlich großen Landarztpraxis müssten Umsetzung und computertechnische Erfassung der geleisteten ärztlichen Arbeit ausschließlich durch seine Helferinnen erfolgen und könnten von ihm auch nicht kontrolliert werden, zumal ihm die Bedienung des Computers infolge seines fortgeschrittenen Lebensalters ein Buch mit sieben Siegeln geblieben sei. Die Beklagte habe ihn sehr verspätet darauf hingewiesen, dass er die Vorgaben hinsichtlich der Gesamtminutenzahl pro Quartal und Gesamtzahl der Tage mit mehr als zwölf Arbeitsstunden überschreite. Zu den Zeitvorgaben des EBM sei anzumerken, dass er für die Leistungen nach den GOP 03110 bis 03112 EBM drei Minuten und nur bei über 70-jährigen Patienten auch mal fünf Minuten benötige. Die GOP 03120 EBM habe er in 30 Sekunden erledigt. Auch um die Problematik einer chronischen Krankheit zu vermitteln, brauche er keine zehn Minuten. Zeit lasse er sich allerdings bei den zwei bis drei Terminen täglich, in denen er Jugendlichen die Spätfolgen des Rauchens zu vermitteln versuche. Hätte man in seiner Praxis die Möglichkeit gehabt, durch Aufrufen der Tages- oder Quartalsprofile die Leistungslegenden zu beachten, hätte es mit Sicherheit keine Überschreitungen gegeben.

Am 29.10.2008 beschloss der Vorstand der Beklagten, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung zu beantragen. Anschließend setzte er den Disziplinarausschuss mit Schreiben vom 24.11.2008 von dem Vorgang in Kenntnis und bat, dem Antrag des Vorstandes auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu entsprechen. Am 01.12.2008 beschloss der Disziplinarausschuss die Eröffnung des Disziplinarverfahrens, weil der hinreichende Verdacht einer Pflichtverletzung bestehe, und forderte den Kläger mit Einschreiben vom 01.04.2009 zur Stellungnahme auf. Der Kläger machte daraufhin unter dem 14.04.2009 erneut geltend, die Beklagte habe ihn nicht zeitnah beraten und informiert. Außerdem hätte sie an Hand des im Rahmen des Verfahrens wegen sachlich-rechnerischer Richtigstellung der Honorarbescheide vorgelegten Schriftverkehrs mit dem Hersteller seiner Computersoftware erkennen müssen, dass dieser ihm ein zur Prüfung der Tagesprofile ungeeignetes Modul zur Verfügung gestellt habe und er deshalb in den genannten Quartalen nur implausibel habe abrechnen können. In der mündlichen Verhandlung des Disziplinarausschusses am 13.07.2009 wiederholte der Kläger ausweislich des Protokolls zunächst, wegen seiner hohen Arbeitsbelastung und der steigenden Büro- und Verwaltungstätigkeiten die Abrechnung weder selbst habe vornehmen noch kontrollieren können. Insofern seien seine Helferinnen auch für Abrechnungsfehler verantwortlich. Die übersandten Tages- und Quartalsprofile habe er so nicht nachvollziehen können; auch wichen die Angaben darin von seinen eigenen Abrechnungsergebnissen ab. Wegen Unzulänglichkeiten seiner Praxissoftware, die ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge