Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Übernahme der Kosten für den Besuch einer privaten Förderschule in Hessen durch ein in Nordrhein-Westfalen lebendes Kind. Bindung des Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Schulamtes. Verweisung auf die nächstgelegene nordrhein-westfälische Förderschule. Zumutbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Eingliederungshilfe in Form der Übernahme von Schulkosten für eine behinderungsgerechte Beschulung ist der Träger der Sozialhilfe grundsätzlich an schulrechtlich verbindliche Entscheidungen des Schulamtes - etwa zur Bestimmung des Förderortes - gebunden (vgl BVerwG vom 28.4.2005 - 5 C 20/04 RdNr 11= BVerwGE 123, 316 = Buchholz 436.0 § 40 BSHG Nr 23 und LSG Essen vom 11.6.2014 - L 20 SO 418/11 RdNr 55 mwN).

2. Besondere Umstände des Einzelfalles können hiervon Ausnahmen gestatten, namentlich, wenn die Entscheidung des Schulamtes zum einschlägigen Förderort ersichtlich den Bedürfnissen des Betroffenen nicht entspricht, das Schulamt jedoch keine Änderung vornehmen kann, weil der Betroffene auf eigenes Betreiben in einem anderen Bundesland eingeschult wurde, in dem wegen dort abweichender landesschulrechtlicher Bestimmungen die nicht bedürfnisgerechte Festlegung des Förderortes der dortigen Beschulung nicht entgegensteht.

 

Nachgehend

BSG (Vergleich vom 01.03.2018; Aktenzeichen B 8 SO 15/16 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.09.2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die (endgültige) Übernahme der Kosten für den Besuch einer kostenpflichtigen privaten Förderschule in einem anderen Bundesland als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für die Zeit vom 01.08.2008 bis zum 01.04.2012.

Bei dem am 00.00.2000 geborenen, einkommens- und vermögenslosen Kläger bestehen eine unterdurchschnittliche intellektuelle Lern- und Leistungskompetenz mit Sprachentwicklungsstörung (Dyslalie, Stottersymptomatik), Koordinationsschwächen der komplex-motorischen Bewegungsabläufe, Minderwuchs, ein De-Toni-Debre-Fanconi-Syndrom mit Autismusspektrumstörung sowie eine Amblyopie des rechten Auges. Er lebt mit einem jüngeren Bruder im Haushalt seiner Eltern in C (Kreis I, Nordrhein-Westfalen). Bis 2007 besuchte er einen integrativen Kindergarten. Parallel dazu wurden regelmäßig verschiedene therapeutische Maßnahmen zur Entwicklungsförderung durchgeführt (insbesondere Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie).

Im Vorfeld der Einschulung des Klägers setzten seine Eltern im Februar 2007 beim Beigeladenen ein Verfahren zur Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfes und die Entscheidung über den schulischen Förderort in Gang. Sie wünschten eine Förderung an der katholischen Regel-Grundschule H (C) im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts (GU) gemäß § 20 Schulgesetz NRW i.V.m. § 37 der Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung NRW (AO-SF).

Ein in diesem Verfahren eingeholtes AO-SF-Gutachten vom 30.04.2007 (Sonderschullehrer L/Grundschulrektor M) gelangte zu folgendem Ergebnis: "Bei K ist von erheblichen Beeinträchtigungen im Bereich der Sprachentwicklung, der grob- und feinmotorischen Koordination, der visuellen und auditiven Wahrnehmung, der Konzentration und Ausdauer sowie im Bereich der kognitiven Entwicklung auszugehen. Seine aktive und passive Sprachkompetenz ist eingeschränkt. Anweisungen und Erklärungen versteht er nur rudimentär und kann sie nicht in angemessenes planvolles Handeln umsetzen. Seine Aufmerksamkeits- und die Konzentrationsspanne sind nur kurz. Er ist extrem leicht abgelenkt und scheint auch in seiner Kognition sehr beeinträchtigt. In seiner emotionalen Reife zeigt er erhebliche Unsicherheit und Ängstlichkeit. Er ist erhöht ablenkbar, benötigt große, unmittelbare Nähe und Rückversicherung sowie beständige Motivation und Hilfestellung durch seine Erzieherinnen. Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigungen hat K m.E. Anspruch auf sonderpädagogische Förderung im Sinne einer Fördererschule für Lernen. Von Schulreife im Sinne der Regelschule ist nicht auszugehen. Die Förderung sollte, wie von den Eltern beantragt, im GU der Grundschule in H erfolgen. K ist gut in die Sozialstruktur seiner Gruppe integriert. Vor allem aber auch in die Gruppe der Kinder aus S, die im Sommer in die Grundschule H eingeschult wird und zu denen auch im Wohnumfeld intensive Sozialkontakte bestehen, die durch einen anderen Fördererort erheblich bedroht wären. K müsste in erheblichem Umfang zieldifferenziert unterrichtet werden und sollte in sehr umfassender Weise durch einen Förderschullehrer betreut werden."

Der Beigeladene stellte daraufhin einen sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers im Bereich Lernen und als schulischen Förderort eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen fest (Bescheid vom 28.06.2007). Der Kläger sei auf Hilfe in den Bereichen Motorik, Wahrnehmung, Kognition (Denken, Erkennen...

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