Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Kostenübernahme einer Petö-Therapie für einen eingliederungshilfebedürftigen Menschen durch den Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Die Petö-Therapie ist bei einem eingliederungsbedürftigen Menschen mit Behinderungen i. S. des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB 9 eine Leistung zur sozialen Therapie, weil der pädagogische Ansatz im Vordergrund steht.

2. Der Anspruch des behinderten Menschen gegenüber dem Sozialhilfeträger setzt die Notwendigkeit der Petö-Therapie gemäß § 4 Abs. 1 SGB 9 voraus. Diese besteht u. a., um die Schulfähigkeit eines an Zerebralparese leidenden Kindes zu verbessern. Ausreichend ist, dass deren Wirksamkeit auf die sozialen Fähigkeiten im Einzelfall hinreichend wahrscheinlich ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.04.2024; Aktenzeichen B 8 SO 6/23 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.09.2021 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für die von September 2019 bis Dezember 2019 durchgeführte Petö-Therapie iHv insgesamt 1.170 EUR zu übernehmen.

Die Beklagte hat die Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für eine Petö-Therapie von September 2019 bis Dezember 2019.

Bei dem am 00.00.2011 geborenen Kläger bestehen seit seiner Geburt eine dyskenische Zerebralparese, eine sprachliche Entwicklungsstörung sowie eine globale Entwicklungsverzögerung. Die Fortbewegung ist dadurch massiv eingeschränkt, gleiches gilt für die sprachliche Kommunikation. Bei dem Kläger sind ein GdB von 100 und die Merkzeichen B, G, aG und H festgestellt. Er besuchte seit 2013 eine integrative Kindertagesstätte, die Beklagte bewilligte hierfür als Eingliederungshilfe eine zusätzliche Einzelfallbetreuung. Der Kläger nimmt seit 2013 regelmäßig an einer konduktiven Förderung nach Petö teil. Seit 2017 besucht er eine Förderschule mit dem Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung (U.-Schule) in B.. Eine heilpädagogische Betreuung des Klägers fand in dieser Schule im streitigen Zeitraum nicht statt. Der Kläger führte u.a. auch von September 2019 bis Februar 2020 eine Petö-Therapie durch. Der Beigeladene stelle dem Kläger für die Monate September 2019 bis Dezember 2019 hierfür insgesamt 1.170 EUR in Rechnung, hiervon hat der Kläger bereits 702 EUR beglichen. Hinsichtlich des Restbetrags (468 EUR) ist auf den Rechnungen vermerkt "Restbetrag nach Bewilligungsbescheid durch den Kostenträger".

Im Verfahren SG Düsseldorf - S 42 SO 230/14 bzw. LSG Nordrhein-Westfalen - L 12 SO 583/18 war bereits eine Kostenübernahme für eine Petö-Therapie von Januar 2014 bis Juli 2017 iHv 14.040 EUR streitig (Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 09.01.2014; Widerspruchsbescheid vom 01.04.2014). In diesem Verfahren hatte das Sozialgericht ein neuropädriatrisches Gutachten des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. W., F.-Krankenhaus, vom 02.11.2017 eingeholt. Der Gutachter hat zusammengefasst ausgeführt, durch die Petö-Therapie bestehe die Aussicht, die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen und eine Erleichterung/Ermöglichung der Kontaktaufnahme mit der Umwelt herbeizuführen. Die Petö-Therapie sei geeignet, den Schulbesuch des Klägers im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu erleichtern (bessere Teilhabe am Unterrichtsgeschehen und an den sozialen Prozessen innerhalb der Schulklasse). Auch das Toilettentraining reduziere den Unterstützungsbedarf. Die anderen Therapien, wie Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie seien demgegenüber nicht primär an einer Teilhabeverbesserung orientiert. Nachdem das Sozialgericht noch weitere medizinische Ermittlungen durch Einholung von Befundberichten und ärztlichen Unterlagen durchgeführt hatte, hat es mit Urteil vom 10.07.2018 die Klage abgewiesen. Zwar sei eine Zuordnung der Petö-Therapie als Leistung zur sozialen Teilhabe auch im Falle des Klägers und in Zukunft nicht ausgeschlossen, für den streitigen Zeitraum habe die Therapie jedoch überwiegend "medizinischen Zwecken" gedient. Die Berufung des Klägers hiergegen ist vom LSG Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 25.11.2020 zurückgewiesen worden, da es sich bei der durchgeführten Therapie nicht um eine Leistung der sozialen Rehabilitation, sondern um eine medizinische Behandlung handele. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vom Senat beigezogenen Vorprozessakten verwiesen.

Am 16.02.2018 beantragte der Kläger erneut die Kostenübernahme für die Durchführung der Petö-Therapie.

Mit Bescheid vom 15.03.2018 und Widerspruchsbescheid vom 04.07.2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da Zielrichtung der beim Kläger durchgeführten Therapie nahezu ausschließlich die Förderung der motorischen Fähigkeiten des Klägers gewesen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 25.07.2018 Klage bei dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Er hat sich insbesondere auf das im Parallelverfahren eingeholte Gutachten von Dr. W. gestützt. Hieraus werde deutlich, dass ...

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