Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. fiktive Bemessung. Zuordnung zur Qualifikationsgruppe. Prognoseentscheidung. Vermittlungsbemühung. förmlicher Berufsabschluss. letzte Berufsausübung vor 20 Jahren. Weiterbildungsmaßnahme in einem anderen Beruf
Leitsatz (amtlich)
Verfügt ein Arbeitsloser über eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf, so kommt dieser (höchste) Berufsabschluss für die Zuordnung zu einer Qualifikationsgruppe als Grundlage der Ermittlung des fiktiven Arbeitsentgelts nach § 152 SGB III nicht mehr in Betracht, wenn er in diesem Beruf vor mehr als 20 Jahren zuletzt tätig gewesen ist und im Übrigen mittlerweile eine Weiterbildungsmaßnahme in einem anderen Beruf erfolgreich absolviert hat.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.06.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Arbeitslosengeldes, insbesondere unter Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitsentgelts bei der Bemessung.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger wurde in der Zeit vom 01.08.1972 bis 31.07.1974 erfolgreich zum Verkäufer ausgebildet. Vom 01.09.1974 bis zum 30.06.1982 war er sodann in verschiedenen Filialen als Fachverkäufer tätig. Danach hielt sich der Kläger nach eigenen Angaben längere Zeit im Ausland auf. Im Zeitraum vom 01.09.1991 bis 31.12.1991 absolvierte der Kläger bei den Stadtwerken H ein Betriebspraktikum im Rahmen einer Umschulung zum Bürokaufmann. Ferner war er in der Zeit vom 16.12.1999 bis 28.02.2009 als Hausmeister und Parkaufsicht bei der Q GmbH & Co. KG in H beschäftigt. Diese Tätigkeit umfasste laut Zeugnis vom 22.04.2009 die Vereinnahmung der festgesetzten Parkgebühren, Führung der Registrierstation und Dateneingabe am PC, ordnungsgemäße Abrechnung der Registrierstation und der Kassenautomaten, Bearbeitung von Dauerparker-Anfragen, Reinigung und Pflege sowie Beseitigung kleinerer Störungen der Parkierungsanlage sowie Aufsichts-, Kontrollgänge und Reinigungsarbeiten im Parkierungsobjekt. Nach einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit absolvierte der Kläger im Jahr 2010 eine Fortbildung zur Erlangung der Sachkundeprüfung nach § 34a Abs. 1 Satz 5 der Gewerbeordnung - (GewO), die ihn berechtigte, im Sicherheitsgewerbe tätig zu sein. Ferner qualifizierte sich der Kläger in der Zeit vom 29.01.2010 bis 22.07.2010 zur Sicherheits- und Servicekraft ÖPNV und erwarb ein entsprechendes Zertifikat. Danach war der Kläger zunächst als Pförtner, sodann - ab dem Jahr 2011 und durch längere Zeiten von Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit, insbesondere von August 2015 bis März 2017, unterbrochen - als Servicekraft Schutz und Sicherheit bzw. Wachmann bei verschiedenen Unternehmen tätig. Als Verkäufer war der Kläger zwischenzeitlich in Form einer Nebenbeschäftigung in einem Lottogeschäft in der Zeit vom 05.06.2015 bis 20.06.2015 tätig. In Eingliederungsvereinbarungen der Beklagten vom 24.07.2014, 20.01.2017 und 26.06.2017 wurde als Ziel die Aufnahme einer Tätigkeit des Klägers als Pförtner in Vollzeit oder Teilzeit angegeben.
Der Kläger meldete sich mit Wirkung zum 30.01.2017 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Zuvor bezog er in der Zeit vom 12.08.2015 bis 29.01.2017 Krankengeld von der Techniker Krankenkasse.
Mit Bescheid vom 08.02.2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger abschließend Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungsbetrag von 25,13 EUR für die Zeit vom 30.01.2017 bis 28.09.2017, wobei sie ihn zur Ermittlung des fiktiven Arbeitsentgelts in die Qualifikationsgruppe 4 einordnete und damit ein tägliches Bemessungsentgelt von 59,50 EUR zu Grunde legte. Grundlage dieser Entscheidung war, dass der Kläger aus Sicht der Beklagten für eine Tätigkeit als Servicekraft - Schutz und Sicherheit geeignet, hierfür aber keine Ausbildung erforderlich sei. Den hiergegen ausschließlich per E-Mail vom 13.02.2017 eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass es sich bei der von ihm absolvierten Fortbildung im Sicherheitsgewerbe sehr wohl um eine Ausbildung gehandelt habe, verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2017 als unzulässig.
Das gegen die o.a. Bescheide der Beklagten von dem Kläger bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen geführte Verfahren (Az.: S 20 AL 84/17) endete in einem Erörterungstermin vom 04.07.2017 mit Klagerücknahme. Zugleich stellte der Kläger in diesem Termin einen Antrag gemäß § 44 SGB X auf Überprüfung des vorgenannten Bescheides vom 08.02.2017 mit der Maßgabe, dass er "eine Eingruppierung in die Nr. 3 im Rahmen der Fiktiveinstufung wünsche".
Mit Bescheid vom 19.07.2017 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers und damit die Änderung des Bewilligungsbescheides vom 08.02.2017 ab. Es sei weder von einem unzutreffenden Sachverhalt / \ ausgegangen noch das Recht falsch angewandt worden. Den hiergegen vom Kläger ...