Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Erstattung der Aufwendungen für die Beiträge einer Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung. Angemessenheit der Alterssicherung. freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. analoge Anwendung des § 44 Abs 1 S 1 SGB 11. anderweitige Sicherstellung einer angemessenen Alterssicherung
Orientierungssatz
1. Eine anderweitige Sicherstellung einer angemessenen Altersvorsorge iS des § 64f Abs 1 SGB 12 ist nur gegeben, wenn während der Pflegetätigkeit ein anderweitiger Aufbau einer Alterssicherung stattfindet. Nicht relevant ist, ob die Pflegeperson bereits vor der Pflegetätigkeit eine anderweitige Alterssicherung aufgebaut hatte.
2. Für die anderweitige Absicherung im Alter kommt es nur auf die eigenen Einkünfte bzw das eigene Vermögen der Pflegeperson an. Da es sich bei Pflegepersonen überwiegend um Frauen handeln dürfte, dürfte ein Ausschluss von der Beitragszahlung im Hinblick auf eine Absicherung durch den Ehemann eine unzulässige mittelbare Diskriminierung von Frauen darstellen.
3. Nicht erforderlich ist, dass durch die Zahlung der Beiträge eine Altersvorsorge erreicht wird, die im Alter die Inanspruchnahme von Sozialhilfe überflüssig macht.
4. Das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit der Alterssicherung erfordert eine angemessene Relation zwischen dem der Pflegeperson entstehenden Aufwand und der dadurch erarbeiteten Alterssicherung. Die Höhe des Anspruchs folgt aus einer analogen Anwendung des § 44 Abs 1 S 1 SGB 11.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17.09.2021 geändert.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 07.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2020 verurteilt, ab dem 01.01.2022 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf der Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen iHv 43 % der Bezugsgröße zu übernehmen.
Die Beklagte hat der Klägerin in beiden Instanzen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Altersvorsorgebeiträge für ihre Pflegeperson, die Beigeladene, ab dem 01.01.2022.
Die 1933 geborene Klägerin ist verwitwet. Sie bezieht von der Beklagten Grundsicherung nach dem SGB XII. Über anzurechnendes Einkommen und Vermögen verfügt sie nicht. Die Klägerin ist nicht pflegeversichert, bei ihr liegen seit dem 09.11.2015 die Voraussetzungen der Pflegestufe I und ab dem 10.04.2019 die des Pflegegrades 3 vor. Die Beklagte bewilligt der Klägerin entsprechendes Pflegegeld. Pflegeperson ist die durch den Senat beigeladene Tochter, sie pflegt die Klägerin täglich zwei Stunden am Morgen und zwei Stunden am Abend. Ein Pflegedienst ist nicht im Einsatz.
Die 1959 geborene Beigeladene bezieht eine Rente aus Moldawien iHv monatlich ca. 45 EUR. Sie ist nicht erwerbstätig und nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Bei der DRV besteht eine Rentenanwartschaft. Die Regealtersrente hieraus wird am 01.06.2025 voraussichtlich monatlich 175 EUR betragen. Der Ehemann der Beigeladenen arbeitete zunächst in Vollzeit als Industrie-Elektroniker. Er bezieht seit dem 02.05.2022 eine Rente aus Moldawien iHv monatlich ca. 90 EUR und ab dem 01.10.2022 eine Rente von der DRV iHv monatlich 598,33 EUR. Der Ehemann arbeitet jetzt nur noch in Teilzeit und verdient ca. 1.500 EUR netto. Die Beigeladene ist gemeinsam mit ihrem Ehemann Eigentümerin einer schuldenfreien Eigentumswohnung. Eine weitere Altersvorsorge haben die Eheleute nicht.
Den Antrag der Klägerin auf Übernahme von Altersvorsorgebeiträgen für die Beigeladene vom 25.04.2018 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2019 ab. Es handele sich nicht um angemessene Beiträge iSd § 64f Abs. 1 SGB XII. Die Beigeladene erreiche das Rentenalter im Juni 2025. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt noch Anwartschaften erwerben könne, mit denen sie - auch unter Berücksichtigung der Rente des Ehemannes - ihren Lebensunterhalt unabhängig von Leistungen der Sozialhilfe bestreiten könne. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2020 zurück. Es sei nicht angemessen, aus Mitteln der Sozialhilfe wenige Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Aufstockung zu der geringen Rentenanwartschaft der Beigeladenen zu leisten.
Die Klägerin hat am 27.01.2020 Klage erhoben. Es sei keine Voraussetzung für die Übernahme von Beiträgen, dass dadurch eine Rente oberhalb des Sozialhilfeniveaus erreicht werde.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2020 zu verurteilen, die Aufwendungen für die Beiträge ihrer Pflegeperson H. Q. für eine angemessene Alterssicherung zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten.
Das Sozialgericht hat die Beigeladene und i...