Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. unwirksame Klageerhebung. Schriftformerfordernis. keine Erforderlichkeit einer eigenhändigen Unterschrift. Erkennbarkeit des Rechtsverkehrswillens. Körperschaft des öffentlichen Rechts. fehlender Hinweis auf Verantwortlichen
Orientierungssatz
1. Laut Rechtsprechung ist eine eigenhändige Unterschrift unter der Klageschrift (hier: einer Körperschaft des öffentlichen Rechts) grundsätzlich nicht erforderlich (vgl ua GmSOGB vom 30.4.1979 - GmS-OGB 1/78 = SozR 1500 § 164 Nr 14).
2. Wenn (wie hier) ein Schriftstück nicht unterzeichnet ist, muss aber auf andere Weise erkennbar sein, wer die Klage erhoben hat und dass sie mit dem Willen des Klägers in Verkehr gelangt ist.
3. Bei einer Behörde oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KöR) bestehen bestimmte Zeichnungs- und Beglaubigungsbefugnisse, damit gesichert ist, dass ein Schriftstück nicht ohne Einhaltung der erforderlichen Form und ohne entsprechende Legitimation des Bearbeiters in den Rechtsverkehr gelangt. Wenn alle Hinweise auf den Verantwortlichen für das Schriftstück fehlen, ist daher bei einer KöR eher als bei einer natürlichen Person davon auszugehen, dass dieses nicht mit Wissen und Wollen der KöR in den Rechtsverkehr gelangt ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Dortmund vom 30.08.2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 77.094,16 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit ist eine Forderung auf Rückerstattung einer geleisteten Krankenhausvergütung in Höhe von 77.094,16 EUR im Behandlungsfall der bei der Klägerin versicherten N im Zeitraum vom 11.02.2014 bis 19.10.2015.
Am 08.11.2018 ist ein als Klage bezeichnetes, undatiertes Schriftstück bei dem Sozialgericht (SG) Köln eingereicht worden, mit dem die Klägerin eine Forderung in Höhe von 77.094,16 EUR gegen den Beklagten geltend gemacht hat. Dieses Schriftstück ist nicht auf dem von der Klägerin üblicherweise verwendeten Briefkopf gedruckt, enthält kein Aktenzeichen, keinen Namen oder Kürzel eines Bearbeiters und keine Unterschrift. Weiterhin sind in dem Schriftstück bestimmte Textpassagen grau hinterlegt, im Einzelnen: Die Angabe des Sozialgerichts sowie dessen Fax-Nummer, Name und Anschrift des Beklagten, Name und Geburtsdatum der Versicherten, der Zeitraum des stationären Aufenthaltes, die die "KV-Nr." sowie der Rückforderungsbetrag. In dem Schriftstück wird Bezug genommen auf die angeblich anliegende Verwaltungsakte der Klägerin. Eine solche war dem Schriftstück jedoch nicht beigefügt.
Unter dem 28.12.2018 haben sich die Prozessbevollmächtigten für die Klägerin bestellt und den "Klageantrag" hinsichtlich der Zinsen konkretisiert.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Klage sei am 08.11.2018 formwirksam erhoben worden. Aus der fehlenden Unterschrift, der fehlenden Verwendung eines Briefkopfs, der Nichtangabe eines Aktenzeichens und der fehlenden Angabe eines Verantwortlichen könne für sich genommen nicht geschlossen werde, dass es sich um einen bloßen Entwurf gehandelt habe.
Das SG Dortmund hat die wegen örtlicher Unzuständigkeit an sich verwiesene Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.08.2021 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
"...In diesem Rahmen hat das Gericht festgestellt, dass die Klage bereits unzulässig ist.
Die auf die Erstattung von nach Meinung der Klägerin überzahlter Krankenhausvergütung nebst Zahlung von Verzugszinsen gerichtete Klage ist als "echte" (isolierte) Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 SGG statthaft, denn die Beteiligten bzw. Krankenkasse und Krankenhausträger befinden sich in einem Gleichordnungsverhältnis, in dem kein Verwaltungsakt zu ergehen hat. Ein Vorverfahren ist in einem solchen Fall nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (st. Rspr.; vgl. zur Vergütungsklage des Krankenhausträgers etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. September 2008 - B 3 KR 15/07 R - juris (Rn. 10) m. w. N.; BSG, Urteil vom 19. April 2016 - B 1 KR 21/15 R - juris (Rn. 7) m. w. N.; vgl. zur Erstattungsklage der Krankenkasse etwa BSG, Urteil vom 21. April 2015 - B 1 KR 7/15 R - juris (Rn. 8) m. w. N.).
Die Klage ist jedoch deshalb unzulässig, weil es an einer dem gesetzlichen Schriftformerfordernis gem. § 90 SGG entsprechenden, wirksamen Klageerhebung fehlt.
Nach § 90 SGG ist die Klage zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (hier irrelevant) oder "schriftlich" zu erheben.
Folge eines Verstoßes gegen dieses Schriftformerfordernis ist die Unwirksamkeit der Klageerhebung (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 90 Rn. 9). Die wirksame Klageerhebung ist eine jederzeit von Amts wegen zu prüfende Prozess- bzw. Sachurteilsvoraussetzung (vgl. a. a. O.). Eine unter Verstoß gegen zwingende Vorschriften wie das Schriftformerfordernis gem. § 90 S...