Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Krankenkasse. Hilfsmittelerbringer. Vorlage von Unterlagen über Leistungs- und Abrechnungsvorgänge. Stufenklage. Verfolgung von Ansprüchen anderer Krankenkassen im eigenen Namen. Anspruch auf Vorlage aller auf einzelne Versicherte bezogene Unterlagen. Verjährung bzw Verwirkung des Auskunftsanspruchs
Orientierungssatz
1. Die von einer Krankenkasse gegenüber einem Hilfsmittelerbringer begehrte Vorlage von Unterlagen über Leistungs- und Abrechnungsvorgänge kann im Wege der Stufenklage verfolgt werden.
2. Eine Krankenkasse ist befugt, auch Ansprüche anderer Krankenkassen im eigenen Namen zu verfolgen, wenn sie von diesen dazu ermächtigt wird.
3. Eine Krankenkasse hat einen Anspruch auf Vorlage aller auf einzelne Versicherte bezogene Unterlagen gegenüber einem Hilfsmittelerbringer, wenn sie diese benötigt, um die Richtigkeit der Abrechnungen und den Umfang der gesetzmäßig dem Versicherten zustehenden Versorgung mit Hilfsmitteln prüfen zu können.
4. Zur Verjährung und Verwirkung des Auskunftsanspruchs einer Krankenkasse gegenüber einem Hilfsmittelerbringer.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 08.12.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehalten bleibt. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung von Auskunft über Leistungs- und Abrechnungsvorgänge durch Vorlage von Kundenunterlagen und -daten. Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Stufenklage in Anspruch und begehrt nach Auskunftserteilung die Erstattung gegebenenfalls überzahlter Rechnungsbeträge.
Der Beklagte ist Augenoptiker. In der Zeit vom 01.01.2001 bis 31.12.2003 versorgte er Mitglieder der Klägerin sowie (unter anderem) der Barmer Ersatzkasse (BEK, seit 01.01.2010 durch Vereinigung mit der Gmünder Ersatzkasse: "Barmer-GEK") und der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH, seit 01.04.2009 durch Aufnahme der BKK Allianz: "KKH-Allianz") mit Sehhilfen. In der Zeit vom 01.07.1994 bis 31.12.2003 galt der Vertrag vom 30.06.1994 zwischen dem Zentralverband der Augenoptiker (ZVA), dessen Mitglied der Beklagte ist, und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) bzw. Arbeiterersatzkassen-Verband (AEV). VdAK und AEV sind seit dem 01.01.2009 im Verband der Ersatzkassen (VdEK) zusammengeschlossen. Die Klägerin, die BEK und die KKH waren Mitglieder des VdAK, die Klägerin, die Barmer GEK und die KKH-Allianz sind jetzt Mitglieder des VdEK. Gemäß § 1 Abs. 2 des Vertrages wurden die Vertragsleistungen - Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen - entweder aufgrund vertragsärztlicher Verordnung oder aufgrund von "Berechtigungsscheinen" abgegeben. Nach Anlage 1 Abs. 1 zum Vertrag stellten die Krankenkassen ihren Versicherten auf Anforderung einen Berechtigungsschein zur Verfügung. Der Augenoptiker konnte nach Maßgabe der Anlage 1 Abs. 2 u. a. die Vergütung für Augenglasbestimmungen, den Betrag für erforderliche Brillengläser bzw. Brillenfassungen, den Betrag für Reparaturen, den Betrag für Trifokal-Gläser und die Vergütung für Kunststoffgläser abrechnen. Bei Verwendung von Berechtigungsscheinen war eine vertragsärztliche Verordnung nicht erforderlich.
Nach Angaben der Klägerin erhielt sie erstmals im Jahr 2005 von einer AOK einen Hinweis auf Falschabrechnungen durch Optiker. Sie begann daraufhin mit der Überprüfung der Abrechnungen von Augenoptikern aus den Jahren 2001 bis 2003. Am 25.08.2005 schlossen die Ersatzkassen eine "Kooperationsvereinbarung über die Wahrnehmung der Aufgaben bei der Bekämpfung von Abrechnungsmanipulationen". Gegenstand dieser Vereinbarung war u.a. die Prüfung der Erbringer von Hilfsmitteln im Hinblick auf Abrechnungsmanipulationen. Hierin wurde vereinbart, dass grundsätzlich für jeden Leistungserbringer, gegen den Regressansprüche geltend gemacht werden sollen, eine Ersatzkasse zur Bearbeitung des Falles umfassend beauftragt wird. Am 23.04.2007 beschloss der "Steuerungsausschuss Abrechnungsmanipulation", in Nordrhein-Westfalen ein Sonderprüfverfahren von Optikern durchzuführen. Am 26.07.2007 beschloss der Steuerungsausschuss, dass die Klägerin das Projekt federführend übernimmt.
Am 29.12.2007 hat die Klägerin gegen den Beklagten Klage erhoben auf Erteilung von Auskunft "über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Abrechnungszeitraum 2001 bis 2003 Leistungen über Berechtigungsscheine sowie aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen abgerechnet hat, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere Karteikarten und Lieferscheine" sowie "der Klägerin die überzahlten Rechnungsbeiträge, deren Gesamthöhe nach Erfüllung des Klageantrags zu 1) beziffert werden wird, zu erstatten".
Statistische Vergleichsdaten und die Sichtung von Berechtigungsscheinen und Verordnungen begründen nach Meinung der Beklagten den dringenden Verdacht auf ...