Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB 7. Begleitkind während einer medizinischen Vorsorgeleistung der Mutter gem § 24 SGB 5. Besuch einer Betreuungs- bzw Tageseinrichtung für Begleit- und Therapiekinder. erlaubnispflichtige Einrichtung gem § 45 SGB 8. sozialgerichtliches Verfahren. Verurteilung des beigeladenen zuständigen Unfallversicherungsträgers. Anwendbarkeit des § 75 Abs 5 SGG auch auf Feststellungsklagen. Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens

 

Orientierungssatz

1. Ein Begleitkind, das während einer medizinischen Vorsorgeleistung der Mutter gem § 24 SGB 5 eine Kinderbetreuungseinrichtung iS von § 22 SGB 8 besucht, steht gem § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

2. Eine Kinderbetreuungseinrichtung, die neben Therapiekindern auch Begleitkinder betreut, die keinerlei medizinische Behandlung oder therapeutische Maßnahmen zur Rehabilitation erhalten, und bei der Betreuung nicht zwischen Begleit- und Therapiekindern differenziert, bedarf einer Erlaubnis gem § 45 SGB 8.

3. § 75 Abs 5 SGG ist nicht auf Leistungsklagen beschränkt und kann auch auf Feststellungsklagen angewandt werden. Ein Vorverfahren ist bei einer Verurteilung nach Abs 5 nicht erforderlich.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 03.11.2015 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2013 wird aufgehoben. Die Beigeladene wird verurteilt, das Ereignis vom 30.07.2013 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beigeladene trägt die dem Kläger in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Ereignis vom 30.07.2013 ein Arbeitsunfall war.

Der am 00.00.2006 geborene Kläger begleitete in der Zeit vom 19.07.2013 bis 01.08.2013 seine Mutter zu einer Mutter-Kind-Maßnahme nach § 24 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), die in der Einrichtung "DRK-Zentrum für Gesundheit und Familie, B-Haus, X/B" durchgeführt wurde. Träger der Einrichtung war das Deutsche Rote Kreuz (DRK) - Landesverband Schleswig-Holstein e.V. -, welches als Träger der freien Wohlfahrtspflege als gemeinnützig anerkannt ist. Die Maßnahme diente einer aus medizinischen Gründen erforderlichen Vorsorgeleistung für die Mutter des Klägers. Der Kläger selbst nahm ausschließlich als Begleitkind teil. Eine medizinische Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bzw irgendwelche anderen Kurleistungen erhielt er nicht. Während des Aufenthalts im B-Haus besuchte der Kläger die dortige Kinderbetreuungseinrichtung, die sog. "S". Dort werden bzw wurden Kinder wochentags von 8.00 Uhr bis 15.00/16.00 Uhr in einem Gruppenraum der Reha-Klinik, bzw während Ausflügen auch außerhalb, durch eine Erzieherin und eine Praktikantin als Vollzeitkräfte sowie eine pädagogische Hilfskraft als Teilzeitkraft betreut. Eine Differenzierung nach Begleit- und Therapiekindern findet und fand im Rahmen der Betreuung nicht statt. Die Betreuung der Begleitkinder erfolgt zur Sicherung der Kur-Maßnahme der Mutter bzw des Vaters, wenn zu Hause keine Betreuung der Kinder gewährleistet ist und die Kurmaßnahme des Elternteils sonst nicht durchgeführt werden könnte. Grundlage der Betreuung der Kinder in der "S" ist ein schriftliches pädagogisch-therapeutisches Betreuungskonzept, welches zur Zertifizierung bei den Krankenkassen bzw dem Müttergenesungswerk vorliegen muss. Es beinhaltet ua ein Bewegungs- und ein Ernährungsprogramm.

Am Unfalltag, dem 30.07.2013, stürzte der Kläger beim Spielen während eines Ausflugs der "S"-Kinderbetreuung in den Wald und zog sich Verletzungen am rechten Arm zu. In einer Unfallanzeige der Einrichtung gab diese an, der Kläger sei einen kleinen Hügel heruntergerannt. Dabei sei er gestolpert und auf den rechten Arm gefallen. Der Kläger wurde wegen der Folgen dieser Verletzung im Evangelischen Klinikum O in E in der Zeit vom 07.08. bis 08.08.2013 stationär behandelt, wo die Diagnose Olecranonfraktur rechts gestellt wurde.

Mit Bescheid vom 12.09.2013 lehnte es die Beklagte ab, den Unfall vom 30.07.2013 als Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen. Zwar stünden Personen, die sich in einer stationären Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung befinden, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dieser werde nach § 2 Abs 1 Nr 15a des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) jedoch nur sog. Rehabilitanden gewährt. Bei einer Mutter-Kind-Maßnahme sei das Kind als Rehabilitand nur versichert, wenn es selbst kurbedürftig sei und gezielte medizinische und sozialtherapeutische Maßnahmen zur Anwendung kämen. Sofern das Kind die Mutter aus sonstigen Gründen, z.B. wegen fehlender Unterbringungsmöglichkeiten, begleite, bestehe kein Versicherungsschutz. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Kl...

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