Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Schadensersatzanspruch. Vertragsverletzung bei Behandlung durch zu Unrecht approbierten Operateur. Erlangung einer Approbation mittels einer gefälschten Urkunde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in betrügerischer Absicht. kein Vergütungsanspruch des Krankenhauses für rechtswidrige Behandlung. keine Begrenzung des Schadens auf den im DRG-Vergütungssystem auf den Operateur entfallenden Anteil. Leistung des Operateurs als die wesentliche Hauptleistung. Zurechenbarkeit des Verschuldens des Operateurs gemäß § 278 S 1 BGB als Erfüllungsgehilfe des Krankenhauses. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
Orientierungssatz
1. Ein Krankenhaus verletzt seine Pflichten aus dem Vertragsverhältnis mit der Krankenkasse zur stationären Behandlung des Versicherten, wenn es seiner Hauptverpflichtung zur operativen Versorgung durch einen Arzt nicht nachgekommen ist, sondern stattdessen an dem Versicherten eine strafbare Körperverletzung durch einen Operateur vornehmen lässt, dessen durch gefälschte Urkunden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in betrügerischer Absicht erlangte Approbation später rückwirkend zurückgenommen wird.
2. Der der Krankenkasse gemäß § 280 Abs 1 BGB in Verbindung mit § 69 Abs 1 S 3 SGB 5 zu ersetzende Schaden ist nicht auf den Anteil begrenzt, der im Rahmen der hier erfolgten DRG-Abrechnung auf das Handeln des Operateurs entfällt, da dessen Tätigkeit als die geschuldete Hauptleistung anzusehen ist.
3. Wird diese Hauptleistung im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung nicht wie nach dem Versorgungsvertrag geschuldet durch einen ausreichend befähigten Arzt erbracht, lässt dies vielmehr den gesamten Vergütungsanspruch des Krankenhauses entfallen (vgl BSG vom 17.11.2015 - B 1 KR 12/15 R = BSGE 120, 69 = SozR 4-2500 § 109 Nr 50).
4. Das Krankenhaus hat die Vertragsverletzung auch zu vertreten, da ihm das Verschulden des zu Unrecht approbierten Operateurs gemäß § 278 S 1 BGB in Verbindung mit § 69 Abs 1 S 3 SGB 5 als Erfüllungsgehilfe zugerechnet wird.
5. In gleicher Höhe steht dem Krankenhaus auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 06.02.2018 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 31.595,44 EUR zu zahlen.
Die Beklagte trägt 4/5 und die Klägerin 1/5 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 38.904,02 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (noch) um die Erstattung von der Klägerin gezahlter Krankenhausvergütung für 10 Behandlungsfälle in Höhe von insgesamt 31.595,44 EUR.
Die Beklagte beschäftigte in dem von ihr betriebenen, nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus Herrn S P (im Folgende: SP) in der Zeit vom 19.10.2009 bis 06.11.2015 zunächst mit den Tätigkeiten eines Assistenz- später mit den Tätigkeiten eines Facharztes im Fachbereich "Viszeralchirurgie". Im Verlauf seiner Tätigkeit für die Beklagte war SP an 336 operativen Eingriffen als erster Operateur beteiligt. Ihm war seitens der Bezirksregierung Köln durch Bescheid und Urkunde vom 25.09.2006 auf Antrag und nach Prüfung der eingereichten Unterlagen die Approbation als Arzt erteilt worden. In den Jahren 2011 bis 2015 war SP u.a. als erster Operateur an der Behandlung von 14 Versicherten der Klägerin beteiligt, wofür diese an die Beklagte insgesamt 38.904,02 EUR zahlte.
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Behandlungsfälle, in denen die von SP vorgenommene Operation jeweils Hauptbehandlungsleistung war, für die die Versicherten im Hause der Beklagten aufgenommen worden waren:
|
Nr. |
Name |
Stationäre Behandlung |
Operation |
Krankenhausvergütung |
1. |
A |
12.03.2011-23.03.2011 |
Exzision eines Sinus pilonidalis |
2.402,95 EUR |
2. |
B |
10.05.2011-13.05.2011 |
Perianalabszessexzision |
1.618,46 EUR |
3. |
C |
24.05.2011-26.05.2011 |
Exzision e. |
1.665,44 EUR |
4. |
D |
11.07.2011-13.07.2011 |
OP Leistenbruch |
1.621,73 EUR |
5. |
E |
21.02.2012-04.03.2012 |
Laparoskopische Ileozökalresektion |
6.970,83 EUR |
6. |
F |
27.04.2012-28.04.2012 |
Abszessexzision |
1.190,09 EUR |
7. |
G |
11.09.2012-14.09.2012 |
Appendektomie |
2.314,81 EUR |
8. |
H |
22.04.2013-25.04.2013 |
Demerskatheterimplantation |
3.603,27 EUR |
9. |
I |
05.11.2013-07.11.2013 |
Thyreoidektomie |
3.369,07 EUR |
10. |
J |
20.03.2014-21.03.2014 |
Fissurektomie |
1.302,80 EUR |
11. |
K |
11.09.2014-13.09.2014 |
Fissurektomie |
1.322,80 EUR |
12. |
L |
04.09.2014-24.09.2014 |
Portimplantation |
4.390,18 EUR |
13. |
M |
17.02.2015-24.02.2015 |
Amputation e. Zehe |
5.040,00 EUR |
14. |
N |
07.06.2015-10.06.2015 |
Abszessexzision |
2.091,59 EUR |
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38.904,02 |
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 06.11.2015 nahm die Beigeladene die Approbation des SP als Arzt zurück, da deren Erteilung mittels einer gefälschten Urkunde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in betrügerischer Absicht rechtswidrig erwirkt worden war. Zuvor ha...