Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. endgültige Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung. Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit. Bildung eines Durchschnittseinkommens. keine Rückausnahme
Orientierungssatz
Gemäß § 41a Abs 4 S 1 SGB 2 hat der Grundsicherungsträger bei der abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen. Dies ist eine Ausnahme von dem ansonsten nach § 11 SGB 2 geltenden Zuflussprinzip. Die Rückausnahme nach § 41a Abs 4 S 2 Nr 2 SGB 2 greift nicht, wenn auch nach den allgemeinen Regeln der Einkommensberücksichtigung und - berechnung gemäß § 11 SGB 2 iVm § 3 Abs 4 AlgIIV 2008 für jeden Monat der Teil des Einkommens zu berücksichtigen ist, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt, und die selbständige Tätigkeit während des gesamten Bewilligungszeitraumes ausgeübt wurde.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25.05.2020 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Rücknahme von Bescheiden, mit denen der Beklagte einen Anspruch auf Leistungen für die Zeit von August 2017 bis Dezember 2017 ablehnt und eine Erstattung iHv 3.545 EUR fordert.
Der am 00.00.1972 geborene Kläger lebt alleinstehend in einer Mietwohnung in H, für die im Jahr 2017 monatlich eine Bruttowarmmiete einschließlich der Warmwasseraufbereitungskosten iHv 300 EUR zu zahlen war. Im Oktober 2017 wurde eine Nebenkostenforderung iHv 125,06 EUR fällig. Der Kläger bezieht seit April 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 22.07.2017 beantragte er die Fortzahlung der Leistungen ab August 2017. Er gab an, seit Oktober 2016 einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen, aber bis zum Antrag keinen Umsatz erwirtschaftet zu haben. In einer vorläufigen "Anlage EKS" vom 14.08.2017 schätzte der Kläger seinen voraussichtlichen Gewinn für August 2017 bis Dezember 2017 auf insgesamt 205 EUR.
Mit Bescheid vom 17.08.2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger gestützt auf § 41a Abs. 1 SGB II vorläufig Leistungen für August 2017 bis Dezember 2017 iHv monatlich 709 EUR (409 EUR Regelbedarf, 300 EUR Unterkunfts- und Heizbedarfe). Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers rechnete der Beklagte nicht an.
Am 19.01.2018 legte der Kläger eine Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) seiner Betriebseinnahmen und -ausgaben für 2017 vor, die mit einem Jahresgewinn von insgesamt 2.011,39 EUR endete. Bezogen auf die Monate August 2017 bis Dezember 2017 wies die BWA folgende Einnahmen/Ausgaben aus:
|
Monat |
Betriebseinnahmen |
Betriebsausgaben |
Gewinn/Verlust |
August 2017 |
0,00 EUR |
796 EUR |
-796 EUR |
September 2017 |
6.000 EUR |
0,00 EUR |
6.000 EUR |
Oktober 2017 |
4.370 EUR |
0,00 EUR |
4.370 EUR |
November 2017 |
0,01 EUR |
0,00 EUR |
0,01 EUR |
Dezember 2017 |
0,01 EUR |
0,00 EUR |
0,01 EUR |
Gesamt |
10.370,02 EUR |
796 EUR |
9.574,02 EUR |
Der durchschnittliche monatliche Gewinn in diesem Zeitraum betrug 1.914,80 EUR.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 26.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2018 lehnte der Beklagte den Leistungsanspruch ab, da der Kläger nicht hilfebedürftig gewesen sei. Mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 06.09.2018 forderte der Beklagte vom Kläger die für August 2017 bis Dezember 2017 erbrachten Leistungen iHv 3.545 EUR (709 EUR * 5) zurück.
Mit Schreiben vom 04.11.2018 beantragte der Kläger die Rücknahme der Bescheide vom 26.01.2018 und 06.09.2018. Er habe im gesamten Jahr 2017 nur einen Gewinn iHv 2.011,39 EUR erzielt, weshalb er in jedem Monat hilfebedürftig gewesen sei.
Mit Bescheid vom 17.01.2019 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Ausgehend von dem Durchschnittsgewinn iHv monatlich 1.914,80 EUR sei der Kläger von August 2017 bis Dezember 2017 nicht hilfebedürftig gewesen, weshalb er die erbrachten Leistungen zu erstatten habe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 18.02.2019 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2019 zurück. Der Beklagte habe bei der retrospektiven Einkommensanrechnung nach § 41a Abs. 4 SGB II und ergänzend gemäß § 3 Abs. 4 Alg II-V zu Recht ein Durchschnittseinkommen für den Bewilligungszeitraum gebildet. Das hiernach angesetzte Durchschnittseinkommen übersteige auch unter Berücksichtigung der Absetzbeträge nach § 11b SGB II den Gesamtbedarf des Klägers, weswegen die vorläufig gewährten Leistungen zu erstatten seien. An dem Ergebnis ändere auch eine Erweiterung des Bewilligungszeitraums auf sechs Monate nichts, selbst wenn man für Januar 2018 davon ausgehe, der Kläger habe keinen Gewinn erzielt.
Hiergegen hat der Kläger am 18.07.2019 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben und sein Vorbringen wiederholt und vertieft.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Änderung des Bescheides vom 17....