Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Nothilfe. Erstattungsanspruch eines Krankenhausträgers wegen stationärer Krankenhausbehandlung. örtliche Zuständigkeit. Vorliegen eines Eilfalles. Erstattung der Aufwendungen in gebotenem Umfang. Anwendung der Vergütungsregelungen der GKV. Vergütung von Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen. Begrenzung des Erstattungsanspruchs durch Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Leistungsfall. tagesbezogene anteilige Vergütung. Unabweisbarer Bedarf. Krankenversicherungsschutz. Auffangversicherung. Ermessensreduzierung auf Null

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch des Nothelfers besteht in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur, solange der Sozialhilfeträger keine Kenntnis von Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfsbedürftigen gegen den Sozialhilfeträger nur deshalb nicht entsteht.

2. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers bildet die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen.

 

Orientierungssatz

1. Für die örtliche Zuständigkeit ist in Eilfällen nach § 25 SGB 12, die eine Aufnahme in einer stationären Einrichtung notwendig machen, gem § 98 Abs 2 S 3 SGB 12 der tatsächliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme maßgeblich (vgl BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R = BSGE 117, 261 = SozR 4-3500 § 25 Nr 5).

2. Der Anspruch des Nothelfers besteht in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur, solange der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht.

3. Ein Eilfall iS des § 25 SGB 12 entfällt grundsätzlich, wenn der zuständige Sozialhilfeträger dienstbereit ist, eine Obliegenheit zur Unterrichtung besteht und diese durch das Krankenhaus verletzt worden ist.

4. Die Obliegenheit eines Krankenhauses, den Sozialhilfeträger zu unterrichten, wird regelmäßig dann ausgelöst, wenn der Patient einen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht durch Vorlage einer Versichertenkarte nachweisen kann und sich ansonsten keine Umstände ergeben, aus denen die notwendige Kostensicherheit für das Krankenhaus hervorgeht (vgl BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 13/12 R = FEVS 66, 1.

5. Soweit bei Hilfebedürftigkeit und in Kenntnis der Notlage vom Sozialhilfeträger Hilfe bei Krankheit nach § 48 S 1 SGB 12 hätte gewährt werden müssen, gelten für die Erbringung dieser Leistungen nach § 52 Abs 3 S 1 SGB 12 die Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB 5 entsprechend.

6. Auch für den Bereich der Nothilfe richtet sich das Kostenerstattungsbegehren nach den Vorschriften des SGB 5; eine Zulassung des Nothelfers als Leistungserbringer nach dem SGB 5 ist allerdings nicht erforderlich.

7. Der Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses nach dem SGB 5 bestimmt sich nach einer Fallpauschale, die alle dabei in Anspruch genommenen Behandlungsmaßnahmen zu einer Abrechnungseinheit zusammenfasst, ohne dass es grundsätzlich auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts ankommt.

8. Als "Aufwendungen in gebotenem Umfang" hat der Sozialhilfeträger ausgehend von der maßgeblichen Fallpauschale eine tagesbezogene anteilige Vergütung ("pro rata temporis") zu erstatten.

 

Normenkette

SGB XII § 25 S. 1, § 48 S. 1, § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 1, § 98 Abs. 2 S. 3; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 11 S. 1, § 39; AufenthG § 68

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 23.05.2014 geändert und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Nachdem sich die Beteiligten hinsichtlich des Zeitraumes vom 20. bis zum 22.12.2009 im Berufungsverfahren geeinigt haben, begehrt die Klägerin von der Beklagten unter Berufung auf das Vorliegen eines Nothilfefalles noch die Erstattung weiterer von ihr im Rahmen der stationären Behandlung nach einem Suizidversuch aufgewandten Kosten im Zeitraum vom 22.12.2009 bis zum 12.01.2010.

Der kenianische Staatsbürger F Q H, geb. am 00.00.1983, reiste Anfang 2009 in das Bundesgebiet ein und wohnte bei seiner damaligen Freundin G H in N. Nach seiner zwischenzeitlichen Ausreise reiste er am 15.08.2009 erneut in das Bundesgebiet ein, um einen Sprachkurs zu belegen. Er war im Besitz einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet - Aufenthaltsgesetz - (AufenthG) und fand zunächst bei den Eheleuten V und I K in L Unterkunft, welche ihn aus ihrer früheren Tätigkeit als Entwicklungshelfer in Kenia kannten. Später war er unter der Anschrift X 89 in L gemeldet. Bereits unter dem 15.06.2009 hatten die Eheleute K eine Verpflichtungserklärung gegenüber dem Ausländeramt der Stadt L abgegeben, in der sie sich verpflichteten, für die Zeit vom 15.07.2009 bis zum 15.05.2010 die Kosten für den Lebensunterhalt und für die Ausreise des Herrn H nach §§ 66-68 AufenthG zu tragen. Bei der ADAC-Schutzbrief Versicherungs-AG schlossen sie für...

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