Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Verstoß gegen den Versorgungsauftrag. pflichtwidrige Verlegung eines krankenhausbehandlungsbedürftigen Patienten. kein Vorliegen eines medizinischen oder organisatorischen Grundes. Anspruch der Krankenkasse auf Schadensersatz in Höhe der durch die Verlegung verursachten Kosten. geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung

 

Orientierungssatz

2. § 17c Abs 1 S 1 Nr 2 KHG verpflichtet das Krankenhaus, vorzeitige Verlegungen oder Entlassungen aus wirtschaftlichen Gründen zu verhindern. Bei einem Verstoß liegt eine Pflichtverletzung des Krankenhauses nach § 280 Abs 1 BGB vor.

3. In einem solchen Fall ist das Krankenhaus der Krankenkasse des Versicherten nach § 69 Abs 1 S 3 SGB 5 iVm § 280 Abs 1 BGB zum Schadensersatz der durch die Verlegung des stationär behandelten Versicherten in ein anderes Krankenhaus verursachten Mehrkosten verpflichtet.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.08.2023; Aktenzeichen B 1 KR 18/22 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14.02.2020 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag iHv 3.253,65 EUR nebst Zinsen iHv 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2017 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 11/12 und die Klägerin 1/12 der Kosten des Verfahrens in

beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auf 3.553,65 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Vergütung der durch die Verlegung eines stationär behandelten Patienten verursachten Mehrkosten.

Der bei der Klägerin krankenversicherte und am 00.00.1938 geborene, in U wohnhafte A, (Versicherter) wurde vom 27.07.2016 bis 01.09.2016 bei der Beklagten stationär behandelt und am 01.09.2016 zur geriatrischen Weiterbehandlung in das V Krankenhaus Hattingen (aufnehmendes Krankenhaus) verlegt. Zu diesem Zeitpunkt bestand entsprechend einer unwidersprochenen gutachterlichen Stellungnahme des MDK vom 18.11.2016 weiterhin akutstationäre Behandlungsbedürftigkeit.

Die Beklagte ist ein zugelassenes Plankrankenhaus in Nordrhein-Westfalen. Ausweislich der Anlage zu dem die Beklagte betreffenden Feststellungsbescheid vom 24.11.2014 sind 100 (Soll und Ist) Betten der Fachabteilung Geriatrie ausgewiesen. Die Beklagte unterhält in ihrer Betriebsstelle in der I-Straße 00 in U das Geriatrie-Zentrum "Haus T", in dem sich die Geriatriebetten befinden. Für das Behandlungsjahr 2016 rechnete die Beklagte bei der Klägerin 187 geriatrische Komplexbehandlungen ab. Um den Tag der Verlegung des Versicherten wurden im Zeitraum vom 25.08.2016 bis 02.09.2016 sieben Versicherte der Klägerin in die Geriatrie der Beklagten aufgenommen, von denen bei sechs Fällen mit der geriatrischen Komplexbehandlung begonnen wurde. Ausweislich einer Eintragung vom 24.08.2016 in der Patientenakte des Versicherten war ursprünglich dessen Verlegung in das Geriatrie-Zentrum "Haus T" geplant. Gründe für die Durchführung der unstreitig erforderlichen geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung des Versicherten in dem aufnehmenden Krankenhaus anstelle des Geriatrie-Zentrums der Beklagten sind weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich.

Für die stationäre Behandlung bei der Beklagten zahlte die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.367,98 EUR. Für die stationäre Behandlung in dem aufnehmenden Krankenhaus zahlte sie einen Betrag von 6.874,88 EUR nebst einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR. Darüber hinaus sind Kosten für den Verlegungstransport iHv 107,80 EUR entstanden.

In einer durch die Beklagte in Auftrag gegebenen gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) vom 18.11.2016 kam dieser zu dem Ergebnis, dass es keine medizinischen Gründe gegeben habe, aus denen die Beklagte nicht selbst die geriatrische Komplexbehandlung in der klinikinternen Geriatrie hätte durchführen können.

Am 03.04.2017 hat die Klägerin beim Sozialgericht Duisburg (SG) Klage erhoben und die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.553,65 EUR geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, dass bei durchgehender Behandlung des Versicherten im Haus der Beklagten Kosten lediglich iHv 9.097,01 EUR angefallen wären. Die Differenz zu den tatsächlich angefallenen Kosten (einschließlich Aufwandspauschale) in Höhe von insgesamt 12.542,86 EUR nebst Kosten für den Verlegungstransport iHv 107,80 EUR, mithin ein Betrag iHv 3.553,65 EUR, sei ihr als Schaden entstanden. Die Verlegung des Versicherten sei grundlos erfolgt. Damit habe die Beklagte ihre Pflichten gegenüber der Klägerin verletzt. Der Versorgungsauftrag der Beklagten und damit § 109 Abs 4 S 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) stehe einer grundlosen Verlegung entgegen. Hiernach sei das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet. Hierzu gehöre gemäß § 39 Abs 1 S 3 SGB V auch die Frührehabilitation. Weder eine Ausweitung noch eine Einschränkung der zu erbringenden Kranken...

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