Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. Arbeitsunfall. Arbeitsweg. häuslicher Bereich. sachlicher Zusammenhang. Weg zum häuslichen Arbeitsplatz. betriebliche Nutzung. private Nutzung
Leitsatz (amtlich)
1. Verunglückt der Versicherte in seiner Wohnung auf dem Weg in sein kombiniertes Wohn-/Arbeitszimmer, so erleidet er keinen versicherten Wegeunfall iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.
2. Der Versicherte kann grundsätzlich nicht auf einem versicherten Betriebsweg verunglücken, bevor er die betriebliche Tätigkeit innerhalb seiner Wohnung aufnimmt.
3. Hat der Versicherte seine betriebliche Tätigkeit innerhalb seiner Wohnung aufgenommen und geht er zwischenzeitlich ins Badezimmer um zu duschen, so steht er weder auf dem Hin- noch auf dem Rückweg unter Versicherungsschutz.
4. Der Duschvorgang ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen und unterbricht den Versicherungsschutz auch dann, wenn er nur wenige Minuten dauert.
5. Nutzt ein Versicherter sein kombiniertes Wohn-/Ess-/Arbeitszimmer räumlich zu 75 % und zeitlich zu etwa 70 %, um dort zu wohnen und haben die Möbel wohnlichen Charakter, so kann eine "mobile" Arbeitsecke, die sich mit wenig Aufwand zur Essecke umfunktionieren lässt, nicht als Betriebsteil klassifiziert werden.
Orientierungssatz
1. Die bloße Absicht, die versicherte Tätigkeit am häuslichen Arbeitsplatz ausüben oder fortsetzen zu wollen, reicht nicht aus, um den Weg zwischen einem Wohnraum und einem kombinierten Wohn-/Arbeitszimmer unter Versicherungsschutz zu stellen.
2. Dienen Räume in einem Wohnhaus oder einer Wohnung sowohl privaten als auch betrieblichen Zwecken, so besteht Versicherungsschutz in diesen Räumen nur, wenn sie nicht nur selten oder gelegentlich, sondern wesentlich auch zu betrieblichen Zwecken genutzt werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte das Ereignis vom 30. Januar 2005 als Arbeitsunfall anerkennen muss.
Der im Mai 1953 geborene und am 13. September 2007 verstorbene Kläger war Produktionsleiter der Fa. O Film- und Fernsehproduktion GmbH & Co. KG in L (Arbeitgeberin), einer Tochtergesellschaft des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF). Er arbeitete abends und an den Wochenenden selbstbestimmt in seiner privaten Zweizimmerwohnung, was nach seinen Angaben ca. 30% der Gesamtarbeitszeit ausmachte. Im "Wohn-Esszimmer" hatte er deshalb einen Arbeitsplatz mit Regal, Ordnern, zwei Stühlen und einem ovalen Tisch eingerichtet, auf dem der firmeneigene Laptop samt Drucker standen. Dahinter befand sich ein Teewagen, auf dem Bücher, Post und Büroutensilien lagerten. Bei dem Tisch, den Stühlen und dem Teewagen handelte es sich um ein Ensemble antiker Stilmöbel, die dem Zimmer ein wohnliches Ambiente gaben und auch als Essecke genutzt werden konnten. Der Fußboden dieses Zimmers, das der Kläger flächenmäßig zu etwa 1/4 als Arbeitszimmer nutzte, war mit Parkett ausgestattet, auf dem zwei Teppichläufer lagen.
Nachdem er am Unfalltage morgens in der Wohnung geduscht, seinen Körper bis auf die Füße abgetrocknet und einen Bademantel angezogen hatte, ging er in sein kombiniertes Wohn-/Ess/-Arbeitszimmer, um eine Folge der ZDF-Serie "SOKO KÖLN" zu kalkulieren. Als er das Zimmer betrat, rutschte der Teppichläufer plötzlich weg und der Kläger stürzte auf die rechte Schulter. Prof. Dr. S, Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums der Universität zu L, diagnostizierte einen Bruch des langen Oberarmröhrenknochens (Humerus) rechts, fügte die Bruchenden operativ zusammen und pflanzte später eine Oberarmkopfprothese ein. Einen Durchgangsarztbericht erstellte er nicht. Am 15. März 2005 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf und die Arbeitgeberin zeigte das Ereignis Mitte November 2005 als Arbeitsunfall an.
Mit Bescheid vom 02. März 2006 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis vom 30. Januar 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen, weil der Kläger überwiegend außerhalb seiner Wohnung arbeite und sein häusliches Arbeitszimmer deshalb kein "Betriebsteil" sei. Dagegen erhob der Kläger am 07. März 2007 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2006 zurückwies: Grundsätzlich seien Wege innerhalb der Wohnung dem privaten, unversicherten Bereich zuzurechnen. Versicherungsschutz bestehe ausnahmsweise dann, wenn der Wohnraum im Wesentlichen betrieblich genutzt werde, was vorliegend aber nicht zutreffe. Überdies sei zu berücksichtigen, dass der Parkettboden und der Teppichläufer, auf dem der Kläger ausgerutscht sei, wohnlichen Zwecken diene und die Gefahrenquelle deshalb aus dem privaten, unversicherten Bereich stamme.
Hiergegen hat der Kläger, der ab Juli 2006 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog, am 16. Juni 2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG...