Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. anderes Aufenthaltsrecht. kein Arbeitnehmerstatus. geringfügige Beschäftigung. Fortwirkung des Arbeitnehmerstatus bei Beschäftigung für länger als 1 Jahr. keine Addition der Beschäftigungszeiten bei mehrmonatiger Unterbrechung
Orientierungssatz
1. Eine Arbeitnehmertätigkeit in geringfügiger Beschäftigung stellt sich im Hinblick auf eine vereinbarte Vergütung in Höhe von 100 Euro und eine Arbeitszeit von zehn Stunden monatlich als untergeordnet und unwesentlich dar und begründet keinen Arbeitnehmerstatus im Sinne § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU 2004. In diesem Fall greift der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst b SGB 2, soweit kein anderes freizügigkeitsrechtliches Aufenthaltsrecht vorliegt.
2. Beschäftigungszeiten als Arbeitnehmer können nicht addiert werden, wenn eine - nicht nur kurzfristige - mehrmonatige (hier sieben Monate) Unterbrechung der Beschäftigung vorliegt. Liegt aus diesem Grund keine Arbeitnehmertätigkeit von mehr als einem Jahr vor, so wirkt der Arbeitnehmerstatus nicht nach § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 FreizügG/EU 2004 dauerhaft fort.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.06.2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers im Berufungsverfahren werden nicht erstattet. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03.2019 bis 31.12.2019 streitig.
Der am 00.00.1992 in der Bundesrepublik geborene ledige Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Im Jahr 1997 reiste er nach Griechenland aus. Im Jahr 2013 leistete der Kläger den Wehrdienst in Griechenland ab und arbeitete in der Zeit vom 02.01.2014 bis 23.10.2015 im Gaststättengewerbe.
Zum 01.02.2016 reiste der Kläger in die Bundesrepublik ein. Ab dem 09.02.2016 ist er durchgehend in der Bundesrepublik gemeldet. Der Kläger bewohnte im Jahr 2019 eine 38 m² große Wohnung. Die Bruttomiete betrug 290,00 EUR
In der Zeit vom 27.04.2016 bis 31.12.2016 war der Kläger bei der Firma T Service GmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In dem am 18.05.2016 geschlossenen Arbeitsvertrag war eine Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2016 vereinbart. Als Arbeitslohn war ein Stundenlohn von 8,50 EUR vorgesehen. In Ziffer 4 des Arbeitsvertrages war eine wöchentliche Arbeitszeit nach Bedarf sowie 80 Stunden pro Monat vereinbart.
Am 01.08.2017 schloss der Kläger mit der Firma L B einen unbefristeten Arbeitsvertrag zum 15.08.2017 ab. Als Nettovergütung wurde ein Betrag von 380,00 EUR bei einem Stundenlohn von 10,50 EUR vereinbart. Als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit waren 10 Stunden vorgesehen. Mit Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts I vom 11.07.2018, 0 Ca 00/18, wurde die Firma L B verurteilt, dem Kläger für den Monat August 2017 eine Arbeitsvergütung i.H.v. 273,00 EUR und für September 2017 eine Arbeitsvergütung i.H.v. 223,56 EUR zu zahlen. Der Kläger hatte vorgetragen, dass er im Zeitraum vom 15.08.2017 bis 31.08.2017 an dreizehn Tagen je 2 Stunden, insgesamt 26 Stunden, und im September 2017 an elf Tagen je 2 Stunden, insgesamt 22 Stunden zu einem Stundenlohn von 10,50 EUR für die Firma gearbeitet habe. Im Verfahren S 32 AS 4975/18 vor dem Sozialgericht Dortmund trug der Kläger vor, dass er von Herrn B als Bauhelfer auf einer Baustelle eingesetzt worden sei. Er habe gegenüber seinem Arbeitgeber seine Arbeitskraft angeboten, diese sei von dem Arbeitgeber mit dem Argument, dass er über keine weitere Arbeit verfüge, nicht abgerufen worden. Es sei vereinbart worden, dass der Vertrag zum 01.10.2017 ende. Den Zugang der von seinem ehemaligen Arbeitgeber behaupteten fristlosen Kündigung bestreite er.
Das Ausländeramt der Stadt I forderte den Kläger mit Schreiben vom 02.11.2017 zwecks Prüfung der Freizügigkeitsvoraussetzungen auf, eine Arbeitsbescheinigung oder einen Arbeitsvertrag über mindestens 380,00 EUR netto und mindestens 10 Stunden in der Woche vorzulegen. Daraufhin legte der Kläger einen am 13.11.2017 geschlossenen Arbeitsvertrag mit der Firma H über eine geringfügige Beschäftigung vor, in dem eine regelmäßige Arbeitszeit von 41 Stunden im Monat und eine wöchentliche Arbeitszeit von 9,5 Stunde vereinbart war. Mit Schreiben vom 15.11.2017 wies das Ausländeramt den Kläger darauf hin, dass er laut Arbeitsvertrag nur 9,5 Stunden in der Woche arbeite. Um den Arbeitnehmerstatus zu erhalten, bedürfe es einer Mindeststundenzahl von 10 Stunden wöchentlich. In der Ausländerakte befindet sich ein weiterer vom 13.11.2017 datierter Arbeitsvertrag mit der Firma H. In diesem unbefristeten Arbeitsvertrag war vereinbart, dass der Kläger ab dem 13.11.2017 als Aushilfe eingestellt werde, die regelmäßige Arbeitszeit 43,5 Stunden pro Monat und 10 Stunden in der Woche sowie der Stundenlohn 9,25 EUR und...