Entscheidungsstichwort (Thema)
Prognoseentscheidung bei der Ermittlung der Versicherungspflicht
Orientierungssatz
1. Der Träger der Rentenversicherung erlässt nach § 28 p Abs. 1 S. 5 SGB 4 Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber dem Arbeitgeber.
2. Versicherungsfrei ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 derjenige Arbeitnehmer, dessen regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst die nach den Absätzen 6 oder 7 festgelegte Jahresarbeitsverdienstgrenze übersteigt.
3. Das maßgebende regelmäßige Arbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt, auf das jemand im Laufe des auf den Beurteilungszeitpunkt folgenden Jahres einen Anspruch hat oder das ihm sonst mit hinreichender Sicherheit zufließen wird.
4. Zum berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelt zählen u. a. die fixen Gehaltsbestandsteile, bestehend aus Grundgehalt, geldwerten Vorteilen durch private Firmen-Pkw-Nutzung und zufließenden Tantiemen, vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1984 - 12 RK 21/83.
5. Steht zum Ende eines Jahres fest, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen der Tantiemenregelung erfüllt sind und deren Zahlung im Folgejahr mit Sicherheit zu erwarten ist und wird bei deren Berücksichtigung die maßgebliche Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten, so besteht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 6.9.2010 geändert. Der Bescheid vom 19.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2009 wird hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 34.561,07 Euro aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) und 3), die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.561,07 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 34.561,07 Euro und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Klägerin in der Zeit vom 1.12.2003 bis 30.9.2008 in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung (KV/PV).
Die Klägerin betreibt einen Schrott- und Metallhandel mit etwa 40 Mitarbeitern. Sie ist eine 100%ige Tochter der Firma U, die dezentral organisiert ist. Die Klägerin ist verantwortlich für das Regionalcenter Q, das aus verschiedenen Untereinheiten besteht, zu denen das Kundencenter gehört. Dessen Leiter war ab dem 1.10.2001 der Beigeladene zu 1), der im Streitzeitraum für die Klägerin auf der Grundlage des AT-Anstellungsvertrages (AV) vom 16.4.1999 seit dem 17.5.1999 tätig war. Zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) war in § 2 AT-AV die Zahlung von 13 Monatsgehältern und die Stellung eines Firmenfahrzeugs, das auch privat genutzt werden durfte, vereinbart. Mit dem 1. Nachtrag zum AT-AV vom 16.4.1999 änderten die Klägerin und der Beigeladene zu 1) am 18.12.2001 aus Anlass der zum 1.10.2001 übertragenen Stellung als Kundencenterleiter den Ursprungsvertrag und vereinbarten u.a., dass eine Tantiemevereinbarung separat getroffen werde, was auch umgesetzt wurde.
Den Tantiemezahlungen der Klägerin an den Beigeladenen zu 1) lag ab dem 1.1.2002 die widerrufliche Tantiemeregelung vom 18.12.2001 zugrunde, die die Regelung vom 13.11.2000 ersetzte. Auch wenn diese nicht von der Klägerin unterzeichnet worden war, wurde sie im gesamten Streitzeitraum wie vereinbart praktiziert. Die Umsetzung entsprach der üblichen Vorgehensweise bei der Klägerin wie bei der Fa. U. Die vorgenannte Regelung war dergestalt strukturiert, dass
1. 4/12 der Tantieme sich aus dem betriebswirtschaftlichen Ergebnis der einzelnen zum Regional-Center gehörenden Unternehmen nach einer festgelegten Berechnungsformel errechneten,
2. 4/12 der Tantieme sich aus der Planüberschreitung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses der einzelnen zum Regional-Center gehörenden Unternehmen gemäß folgender Staffelung errechneten: Planüberschreitung um 5 %: 1/12 Tantieme Planüberschreitung um 10 %: 2/12 Tantieme Planüberschreitung um 15 %: 3/12 Tantieme Planüberschreitung größer 15 %: 4/12 Tantieme
3. 4/12 der Tantieme sich aus den persönlichen Zielvorgaben errechneten, wobei grundsätzlich vier persönliche Ziele vereinbart werden sollte und jedes Ziel mit 1/12 bewertet wurde.
Darüber hinaus lautete die Tantieme-Regelung wie folgt:
"Die Abrechnung der Tantieme erfolgt mit der März-Gehaltszahlung des folgenden Kalenderjahres.
Diese Regelung ist ab 1.1.2002 verbindlich und gilt bis auf Widerruf. Sie ersetzt die Provisionsregelung vom 13.11.2000."
Die Zielvereinbarungen wurden auf der Grundlage dieser Tantiemeregelung vereinbart. Die darin enthaltenen Planzahlen wurden vom Gesellschafter genehmigt. Sie standen in der Rege...