Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung von Leistungen der Grundsicherung bei fehlender Mitwirkung des Antragstellers
Orientierungssatz
1. Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage zulässig.
2. Der Grundsicherungsträger ist berechtigt, bei Nichtvorlage der zum Nachweis der zur Leistungsbewilligung erforderlichen Unterlagen die Leistungen nach § 66 Abs. 1 SGB 1 vollständig zu versagen.
3. Die Aufforderung des Leistungsträgers ist vom Amtsermittlungsgrundsatz gedeckt.
4. Die Rechtsfolge einer fehlenden Mitwirkung setzt nach § 66 Abs. 1 S. 1 SGB 1 im Ermessen der Behörde.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 08.04.2016 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Versagung von Leistungen nach dem SGB II.
Der am 00.00.1966 geborene Kläger war als Energieberater (BAFA) und Energieeffizienz-Experte (dena) selbständig tätig. Er ist der Ansicht, die Beklagte habe durch unterlassene Leistungsgewährung die Einstellung seiner Geschäftstätigkeit verursacht. Zuletzt wurden ihm für die Bewilligungszeiträume vom 01.09.2011 bis 29.02.2012 und vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig bewilligt. Die Leistungsbewilligung erfolgte vorläufig, weil der Kläger Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielte, deren Höhe bei Antragstellung noch nicht feststand. Mit Bescheid vom 12.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2013 versagte der Beklagte Leistungen ab dem 01.09.2012, weil der Kläger seine Einkünfte für die Zeit vom 01.09.2011 bis 31.08.2012 nicht nachgewiesen habe und daher nicht geprüft werden könne, ob seine Prognose für die Zeit ab September 2012 plausibel sei. Die hiergegen beim Sozialgericht Münster Klage (S 8 AS 49/13) wurde mit Urteil vom 11.11.2015 abgewiesen. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung ist noch rechtshängig (L 7 AS 2255/15). Im weiteren Berufungsverfahren L 7 AS 620/16 ist die Versagung von Leistungen für den Zeitraum 01.03.2013 bis 30.06.2013 streitig.
Der Kläger beantragte am 01.07.2013 erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Rahmen der Antragstellung gab er an, er sei seit der nach seiner Auffassung rechtswidrigen Leistungsversagung ab dem 01.09.2012 von seinen Eltern verpflegt worden, obwohl diese dazu finanziell nicht in der Lage gewesen seien. Der Kläger fügte dem Antrag eine ausgefüllte Anlage EKS bei. Er machte Angaben über sein voraussichtliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die Zeit von Juli 2013 bis Dezember 2013. Als Betriebseinnahmen gab er für die Monate Juli, September, Oktober, November und Dezember 2013 jeweils 400,00 EUR an. Als Betriebsausgaben bezifferte er im Juli 2013 415,00 EUR, in den Monaten August und November 2013 jeweils 50,00 EUR, im September 2013 30,00 EUR, im Oktober 2013 40,00 EUR und im Dezember 2013 180,00 EUR (insgesamt 765,00 EUR). Als Gewinn prognostizierte der Kläger insgesamt 1.235,00 EUR.
Mit Schreiben vom 03.07.2013 forderte die Beklagte den Kläger u.a. auf, bis zum 17.07.2013 abschließende Gewinn- und Verlusterklärungen für die Zeiträume 01.09.2011 bis 28.02.2012, 01.03.2012 bis 31.08.2012 und 01.09.2012 bis 30.06.2013 inklusive sämtlicher Belege beizubringen. Hierzu könne er die dem Schreiben beiliegenden Formulare (endgültige EKS) verwenden. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, erst nach Eingang dieser Unterlagen könne der Antrag abschließend bearbeitet werden. Es liege daher in seinem Interesse, die Nachweise bis zu dem Termin beizubringen. Sollte er seiner Mitwirkungspflicht nach §§ 60 bis 62 und 65 SGB I nicht fristgerecht nachkomme, könne der Antrag nach § 66 Abs. 1 und 3 SGB I abgelehnt werden. Er sei zur Angabe von allen Tatsachen und der Vorlage von Beweismitteln verpflichtet, die für die Gewährung von Leistungen erheblich seien.
Mit Schreiben vom 10.07.2013 erwiderte der Kläger, im Zeitraum 01.09.2012 bis 30.06.2013 habe er nicht im Leistungsbezug gestanden. Bereits aus dem Text der übersandten Vordrucke ergäbe sich, dass diese nach Ablauf des Bewilligungszeitraums auszufüllen sei. Ein von ihm erbrachter Nachweis über Bewilligungszeiträume, die es nicht gegeben habe, wäre eine Vortäuschung falscher Tatsachen. Er werde keine Nachweise für Bewilligungszeiträume erbringen, die es nicht gegeben habe.
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 22.07.2013 nochmals dazu auf, die abschließenden Gewinn- und Verlusterklärungen für die Zeit vom 01.09.2011 bis 30.06.2013 inklusive der Belege beizubringen. Das öffentliche Interesse, feststellen zu können, in welcher Höhe die vorläufig gewährten Leistungen endgültig festzusetzen seien und ob dem Kläger laufend Leistungen zustehen, sei höher zu bewerten als das Interesse des Klägers, die gemachten Angaben nicht in geeig...