Entscheidungsstichwort (Thema)

Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Arbeitslosengeldbezug und Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt als Voraussetzung zur Bewilligung von Überbrückungsgeld

 

Orientierungssatz

1. Voraussetzung zur Bewilligung eines Überbrückungsgeldes nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB 3 ist u. a. , dass die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit mit der Entgeltersatzleistung des Arbeitslosengeldes in einem engen zeitlichen Zusammenhang steht. Ein solcher liegt in einer Übergangsphase von maximal einem Monat.

2. Zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in diesem Sinn als Rechtsanwalt genügt nicht allein eine Gewerbeanmeldung durch die Anzeige beim Finanzamt nach § 18 EStG. Erforderlich hierzu ist entweder das Verhandeln mit Mandanten und das Auftreten vor Gericht oder die Einrichtung eines Büros bzw. die Einstellung von Personal bzw. die Anmeldung zur Rechtsanwaltskammer.

3. Die Aufnahme bzw. Fortführung eines Studiums ist nicht Bestandteil der Anwaltstätigkeit. Das kann bei einer kurzen Fort- bzw. Weiterbildung, z. B. zum Erhalt einer Fachanwaltsqualifikation, anders sein.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.06.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Überbrückungsgeld ab dem 09.01.2003.

Der 1947 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt worden ist, war bis zum 31.12.2001 Abteilungsleiter bei dem H-Verband der E und verdiente monatlich 7.300,00 DM.

Vom 01.01.2002 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 03.01.2003 bezog er Arbeitslosengeld.

Das ihm am 09.01.2003 ausgehändigte Antragsformular für die Gewährung von Überbrückungsgeld unterzeichnete der Kläger am 20.08.2003 und reichte es am 22.08.2003 bei der Beklagten ein. Der Kläger teilte in diesem Formular mit, dass er am 01.01.2003 eine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt in X aufnehmen werde und hierfür Überbrückungsgeld beantrage. Er wolle eine Rechtsanwaltskanzlei für Wirtschafts- und Steuerrecht gründen. In dem beigefügten Lebenslauf vom 20.08.2003 ist aufgeführt, dass der Kläger 2002 eine Stellung gesucht habe und seit September 2002 bis August 2003 ein Postgraduiertenstudium an der Universität C zum Magister legum (LL. M.) für Wirtschaftsrecht und Steuerrecht absolviere. Im Januar 2003 habe er sich als selbständiger Rechtsanwalt niedergelassen.

In einer ebenfalls beigefügten "Kurzbeschreibung des Existenzgründungsvorhabens" weist der Kläger darauf hin, dass er von "Oktober 2002 bis August 2003" den Studiengang zum Magister legum absolviert habe. In einer angehängten Erläuterung zu dem Studiengang ist dargelegt, dass das Studium pro Semester etwa 15 - 20 Wochenstunden umfasse.

Das Finanzamt Siegburg bestätigte dem Kläger am 05.02.2003, dass er Anfang 2003 die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt angezeigt habe.

Mit Bescheid vom 25.11.2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Überbrückungsgeld ab, weil der Antrag vor dem leistungsbegründenden Ereignis (Aufnahme der Tätigkeit als Rechtsanwalt) hätte gestellt werden müssen. Der Kläger habe den Antrag erst am 22.08.2003 vorgelegt, die vollständigen Antragsunterlagen sogar erst im November 2003 eingereicht. Der Antrag sei damit gemäß §§ 57, 324 SGB III verspätet.

In seinem Widerspruch vom 09.12.2003 vertrat der Kläger die Auffassung, es komme nicht darauf an, wann man den Entschluss, sich selbständig zu machen, gefasst habe, sondern ausschließlich darauf, wann dieser Entschluss für die Außenwelt nachvollziehbar in die Tat umgesetzt worden sei. Dies sei mit der Antragstellung am 09.01.2003 sowie der danach erfolgten Meldung an das Finanzamt geschehen. Im Übrigen hätte die Beklagte Härtegesichtspunkte gemäß § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III prüfen müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger habe in seinem Antrag vom 09.01.2003 selbst angegeben, am 01.01.2003 eine selbständige Tätigkeit aufgenommen zu haben. Härtegesichtspunkte seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe ein erhebliches Verschulden an der Situation.

Hiergegen hat der Kläger am 26.02.2004 Klage erhoben. Er trägt vor, er habe die selbständige Tätigkeit erst nach Abschluss des Studiums im September 2003 aufgenommen. Daher sei der Antrag von Januar 2003 nicht verspätet. Die Vorlesungen des Wintersemesters seien Mitte Februar beendet gewesen. Es hätten sich die Prüfungen (Klausuren und mündliche Prüfungen) angeschlossen, die er am 03.03.2003 abgeschlossen habe. Irgendwelche Aktivitäten zur Aufnahme der Selbständigkeit seien daher allenfalls für die Zeit der Semesterferien nach Rosenmontag (03.03.2003) möglich gewesen. Der Kläger bezieht sich auch auf einen Schriftsatz der Beklagten vom 01.09.2003, in dem der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Beginn der Selbständigkeit und dem Leistungsbezug bejaht wurde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2003 in der Fa...

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