Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss eines Anspruchs auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für den sog. Syndikus-Anwalt

 

Orientierungssatz

1. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 gibt versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die Beschäftigung, wegen der sie gesetzliches Mitglied einer Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und gleichzeitig gesetzliches Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.

2. Kommt in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, so ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.

3. Der sog. Syndikus-Anwalt hat eine Doppelstellung inne. Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Er hat zwei Arbeitsbereiche, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, welche das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben.

4. Die Eingliederung in die von seinem Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation ist mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar (Anschluss BSG Urteil vom 3. 4. 2014, B 5 RE 3/14).

5. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 ist als abschließende Ausnahmeregelung einer erweiternden oder analogen Anwendung nicht fähig. Der Syndikus-Anwalt gehört als abhängig Beschäftigter i. S. von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB 4 zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und ist infolgedessen in allen Zweigen der Sozialversicherung zwangsversichert.

6. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Die fehlende Befreiung von der Versicherungspflicht berührt nicht den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.03.2017; Aktenzeichen B 5 RE 11/16 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.06.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger für seine Tätigkeit in der Vermögenshaftpflicht-Schadenabteilung bei der Beigeladenen zu 1), der I Kundenservice AG, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 19.08.2008 bis 31.12.2013 zu befreien ist.

Der am 00.00.1980 geborene Kläger ist Volljurist. Er ist seit dem 19.08.2008 Mitglied bei der Rechtsanwaltskammer L und des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen, der Beigeladenen zu 2).

Ab dem 01.06.2008 war der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) in der Vermögenshaftpflicht-Schadenabteilung tätig. Dieser Abteilung ist die Behandlung von Regressen gegen bei der Beigeladenen zu 1) haftpflichtversicherten Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern zugewiesen. Das Anstellungsverhältnis bei der Beigeladenen zu 1) endete zum 31.12.2013. Die Beigeladene zu 1) entrichtete während der gesamten Beschäftigungsdauer Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung. Das Konto wird bei Beigeladene zu 3), der DRV Rheinland geführt.

In der Zeit vom 01.01.2014 bis 31.07.2014 war der Kläger bei der T Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH als angestellter Rechtsanwalt beschäftigt. Mit Bescheid vom 02.01.2014 wurde der Kläger von der Beklagten in Bezug auf dieses Beschäftigungsverhältnis von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung mit Wirkung ab dem 01.01.2014 befreit. Vom 01.08.2014 bis 30.09.2014 war der Kläger arbeitslos. Seit dem 01.10.2014 ist der Kläger in einer Rechtsanwaltskanzlei als angestellter Rechtsanwalt tätig. Mit Bescheid vom 01.10.2014 befreite die Beklagte den Kläger in Bezug auf dieses Beschäftigungsverhältnis von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung mit Wirkung ab dem 01.10.2014.

Bereits am 02.10.2008 beantragte der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für seine Tätigkeit als "Volljurist, Abteilung VH-Schaden" bei der Beigeladenen zu 1) zum "frühestmöglichen Zeitpunkt". Er fügte seinem Antrag eine Arbeitsplatzbeschreibung der Beigeladenen zu 1) vom 24.09.2008 bei. Danach sei er sowohl für die Prüfung versicherungsrechtlicher und materiellrechtlicher Fragestellungen, für die Durchführung von Vergleichsverhandlungen, die Entscheidung über die Regulierung geltend gemachter Ansprüche bzw. die Durchführung von Prozessen zuständig. Er berate den Versicherungsnehmer und die von der Beigeladenen zu 1) beauftragten Rechtsanwälte bei der Vorbereitung und Führung von Prozessen. Zudem bearbeite er Grundsatzfragen, entwickele Versicherungsbedingungen mit und führe interne und externe Schulungsmaßnahmen durch. Er berate die Versicherungsnehmer auch fachlich und vertrete das Unternehmen nach außen durch Teilnahme an Seminaren und Arbeitskreisen und durch das ...

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