Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten. grob fahrlässige Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit. Eigenkündigung des Beschäftigungsverhältnisses. Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs durch Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe gem § 144 SGB 3. Sanktion gem § 31 Abs 4 SGB 2 aF. berufliche Weiterbildung. wichtiger Grund
Orientierungssatz
1. Für die Entstehung der Ersatzpflicht nach § 34 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2 genügt, dass durch ein Verhalten des Hilfebedürftigen die Leistungsvoraussetzungen des SGB 2 geschaffen werden. Dessen Ersatzpflicht setzt nicht voraus, dass schon zum Zeitpunkt der Handlung ein Leistungsbezug nach dem SGB 2 vorgelegen hat (vgl BSG vom 2.11.2012 - B 4 AS 39/12 R = SozR 4-4200 § 34 Nr 1).
2. Hat ein Beschäftigter seinen Arbeitsplatz ohne konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz gekündigt, so ist dessen Verhalten ursächlich für das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld als Entgeltersatzleistung wegen des Eintritts einer Sperrzeit. Für den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ist ausreichend, wenn ein Arbeitsloser im Zeitpunkt der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses keine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz gehabt hat.
3. Der Ersatzanspruch nach § 34 SGB 2 setzt voraus, dass das Verhalten des Ersatzpflichtigen objektiv sozialwidrig gewesen ist. Die Aufgabe eines Arbeitsplatzes ohne wichtigen Grund und die durch die Verhängung einer Sperrzeit verursachte Hilfebedürftigkeit ist als sozialwidrig zu werten, wenn eine Anschlusstätigkeit nicht konkret in Aussicht gestanden hat. Die Ersatzpflicht des § 34 SGB 2 bezweckt die Durchsetzung des Nachranggrundsatzes des § 2 SGB 2.
4. Der Bewertung des Verhaltens als sozialwidrig steht die erfolgte Sanktionierung gem § 31 Abs 4 S 1 Nr 3 Buchst a SGB 2 aF nicht entgegen.
5. Etwas Anderes kann dann gelten, wenn Beweggrund für die Kündigung die termingebundene Aufnahme einer Tätigkeit im Ausland zwecks Verbesserung der Sprachkenntnisse mit dem Ziel der Aufnahme eines Studiums zum Dolmetscher gewesen ist. Ein solches Motiv reicht zur Annahme einer Sozialwidrigkeit nicht aus.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.05.2012 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 29.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2011 wird aufgehoben, soweit ein Erstattungsanspruch nach § 34 SGB II für die Zeit ab dem 01.04.2010 dem Grunde nach festgestellt wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 1/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Ersatzpflicht des Klägers nach § 34 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.
In der Zeit vom 01.10.1998 bis 26.10.2006 studierte der am 22.02.1979 geborene Kläger Skandinavistik. Er bezog in der Zeit vom 14.02. bis zum 30.04.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Seit dem 01.05.2007 war der Kläger bei der Firma J GmbH gegen ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 2.100,00 EUR in Vollzeit beschäftigt. In § 8 des Arbeitsvertrages war vereinbart, dass der Arbeitsvertrag von beiden Seiten unter Einhaltung der Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden kann. Am 19.01.2010 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 28.02.2010.
Im Januar 2010 bewarb sich der Kläger bei der Firma E um eine Arbeitsstelle in ihrem Betrieb nahe Paris. Die Firma bot ihm ein Bewerbungsgespräch am 28.01.2010 an. Wegen einer beruflichen Verhinderung bat der Kläger um die Verlegung des Termins. Nach einem Bewerbungsgespräch vom 04.02.2012 übersandte die Firma E dem Kläger am 09.02.2012 einen Arbeitsvertrag über ein Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 20.04. bis zum 28.08.2010.
Am 10.02.2010 meldete der Kläger sich bei der Agentur für Arbeit C mit Wirkung zum 01.03.2010 arbeitslos. Er gab an, er beabsichtige, im Herbst ein Masterstudium als Konferenzdolmetscher aufzunehmen. Da er in seine Sprachkombination auch Französisch aufnehmen wolle, jedoch seine Französischkenntnisse nicht ausreichten, um zum Studium zugelassen zu werden, habe er es für zwingend erforderlich gehalten, schnellstmöglichst seine Stelle zu kündigen und einen Job in Frankreich zu suchen. Er sei überzeugt gewesen, dass die Zeit, sich auf das neue Studium vorzubereiten, nicht ausreichend gewesen wäre, wenn er das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt gekündigt hätte. Er habe versucht, so zielstrebig wie möglich auf die Erlangung eines Studienplatzes im Herbst hinzuarbeiten und die aus seiner Sicht notwendigen Schritte zu tun. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 08.03.2010 stellte die Bundesagentur für Arbeit den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe für die Zeit vom 01.03. bis 23.05.2010 unter Berufung auf §§ 144, 128 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) fest.
In der Zeit vom 20.04. bis 28.08.2010 war der Kläger im E Paris als Empfangsmitarbeiter beschäftigt. Zum 01.10.2010 nahm er ein Studium zum Kon...