Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung einer Rechtssache an das Sozialgericht wegen eines Verfahrensmangels
Orientierungssatz
1. Das Gericht kann die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an die erste Instanz zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet.
2. Ein Verfahrensmangel i. S. von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG liegt u. a. dann vor, wenn das Sozialgericht den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und damit seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt hat. Der in § 103 SGG normierte Untersuchungsgrundsatz ist verletzt, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, die es von seiner Rechtsauffassung ausgehend hätte anstellen müssen.
3. Bei einem geltendgemachten Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz hat das Gericht konkret die angeschuldigten Handlungen nach Ort, Zeit und Art zu ermitteln und zu benennen, die es als Angriff i.S.d. § 1 OEG ansieht.
4. Ein Verfahrensfehler liegt auch bei einem Verstoß gegen § 105 SGG vor. Der Erlass eines Gerichtsbescheides ist solange nicht zulässig, als der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht geklärt ist. Fehlen die zum Sachverhalt erforderlichen Feststellungen, so hat das Gericht dem Kläger die nach § 12 SGG zu treffende Entscheidung mit berufenen ehrenamtlichen Richtern unter Verletzung des Art. 101 GG entzogen.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 15.11.2010 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Detmold zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG).
Die am 00.00.1976 geborene Klägerin beantragte im Juni 2005 erstmals die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem OEG. Sie trug vor, sie sei vom dritten bis zum zwölften Lebensjahr (1979 - 1988) von ihrem leiblichen Vater sexuell missbraucht worden. Seitdem leide sie unter posttraumatischen Belastungsstörungen.
Der Beklagte zog Befund- und Behandlungsberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte bei und veranlasste eine Begutachtung durch die Psychiaterin Dr. T. Diese kam in ihrem Gutachten vom 25.02.2009 zu dem Ergebnis, als Folge der erlittenen Taten liege bei der Klägerin eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung vor, die mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 zu bewerten sei. Ein Nachschaden sei nicht festzustellen. Depressive Verstimmungen im Zusammenhang mit Arbeitsplatzverlust und innerhalb der Partnerschaft seien im engen Zusammenhang mit durch die Schädigung verursachten interpersonellen Schwierigkeiten im Rahmen der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung zu sehen.
Die Beklagte ließ dieses Gutachten durch die Ärztin T1 auswerten, die die Auffassung vertrat, dem Gutachten könne nur eingeschränkt gefolgt werden. Bezüglich der Diagnosen sei Frau Dr. T zuzustimmen, dass die diagnostischen Kriterien für posttraumatische Belastungsstörungen erfüllt seien. Die Kausalität sei unstrittig. Nicht gefolgt werden könne der Höhe des GdS. Die Klägerin lebe in häuslicher Gemeinschaft mit ihrem Partner und der im Januar 2007 geborenen Tochter. Sie habe regelmäßige soziale Kontakte durch den Besuch von Selbsthilfegruppen und einer Beratungsstelle, deren Mitglieder sie in schwierigen Lebenssituationen unterstützten. Sie führe ihren Haushalt und widme sich der Erziehung ihrer Tochter. Zwar sei die gelernte Diätassistentin seit 1999 nicht mehr berufstätig gewesen, eine Berentung sei jedoch 2002 durch den Rentenversicherungsträger abgelehnt worden, da eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen möglich sei. Dieses Leistungsbild sei bei der Begutachtung durch Dr. T nochmals bestätigt worden. Vor diesem Hintergrund sei die Annahme mittelgradiger sozialer Anpassungsstörungen infolge der Schädigung nicht gerechtfertigt. Das Versorgungsamt C habe mit Bescheid vom Februar 2002 das seelische Leiden mit einem Grad der Behinderung von 50 bewertet. Dazu sei jedoch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin selbst darauf hingewiesen habe, ihr Zustand habe sich seit 2000 stabilisiert. Insbesondere die beiden stationären Trauma-Therapien 2002 und 2005 hätten ihr zusätzlich erheblich geholfen.
Auf der Grundlage dieser Stellungnahme lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG mit Bescheid vom 14.04.2009 ab. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, das OEG sei am 01.01.1991 im Beitrittsgebiet mit den im Einigungsvertrag vereinbarten Maßgaben in Kraft getreten. Hiernach gelte für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet haben oder zur Zeit der Schädigung hatten, die Härtefallregelung des § 10 a OEG. Die von der Klägerin geltend gemachten Schädigungen hätten sich zwischen 1979 und 1988 in ihrem damal...