Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsverfahren. Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Ablehnungsbescheid. Beteiligung sozial erfahrener Dritter. Ausreichen der Beteiligung einer Einzelperson. Nichtanwendbarkeit des § 116a SGB 12 bei Antragstellung vor dem 1.4.2011. Tod des Leistungsberechtigten. Übergang des Anspruchs auf den Leistungserbringer. kein Wegfall der Bedürftigkeit. Einkommenseinsatz. missbräuchliche Verwendung durch einen Bevollmächtigten. Unbeachtlichkeit eines formellen Fehlers. Intertemporales Recht. Einkommenszufluss auf einem Konto mit Negativ-Saldo. Doppelte Unterkunftskosten. Zuständiger Sozialversicherungsträger
Leitsatz (amtlich)
1. Ob bei § 116 Abs 2 SGB 12 die Beteiligung nur einer sozial erfahrenen dritten Person iS von § 116 Abs 2 SGB 12 ausreicht (so ohne Begründung BVerwG vom 25.11.1993 - 5 C 8/90 = BVerwGE 94, 326 = Buchholz 436.0 § 22 BSHG Nr 19), oder ob wegen des den Plural verwendenden Gesetzeswortlauts zwingend eine Mehrzahl von Personen zu beteiligen ist, kann dahinstehen, wenn es sich um eine gebundene Entscheidung handelt. Denn in diesem Falle könnte der Widerspruchsbescheid nach § 42 S 1 (Halbs 2) SGB 10 nicht allein wegen fehlerhafter Beteiligung sozial erfahrener Dritter aufgehoben werden.
2. § 116a SGB 12 gilt erst für Überprüfungsanträge nach § 44 SGB 10, die seit dem 1.4.2011 gestellt wurden. Brachte § 136 SGB 12 dies nur in der vom 1.4.2011 bis zum 31.12.2012 geltenden Normfassung zum Ausdruck, so gilt dies als ohnehin geltender Grundsatz des intertemporalen Rechts auch für die Zeit ab dem 1.1.2013.
3. Hat ein Leistungsberechtigter noch zu Lebzeiten die Überprüfung der Versagung von Sozialhilfe nach § 44 SGB 10 beantragt, so kann der Einrichtungsträger das noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Überprüfungsverfahren in Verfolgung eines nach § 19 Abs 6 SGB 12 übergegangenen Sozialhilfeanspruchs weiterführen.
4. Allein der Tod des Leistungsberechtigten bewirkt keinen sog Bedürftigkeitswegfall (vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R = BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20), welcher rückwirkende Leistungen nach § 44 SGB 10 (vom Einrichtungsträger verfolgt nach § 19 Abs 6 SGB 12) von vornherein ausschließen würde.
5. Erteilt ein Leistungsberechtigter eine General- und Vorsorgevollmacht, muss er es sich zurechnen lassen, wenn seine Einkünfte vom Bevollmächtigen für dessen eigene Zwecke verwendet werden. Im laufenden Bedarfszeitraum sind diese Einkünfte als einsatzpflichtiges Einkommen des Leistungsberechtigten sozialhilfemindernd zu berücksichtigen, auch wenn der Bevollmächtigte sie tatsächlich nicht für die Bedarfe des Leistungsberechtigten zur Verfügung stellt.
Normenkette
SGB XII § 19 Abs. 6, §§ 35, 61 Abs. 1, § 82 Abs. 1 S. 1, § 116 Abs. 2, §§ 116a, 97 Abs. 1, § 98 Abs. 2 S. 1; SGB X § 42 S. 1, § 44 Abs. 4; BGB § 278
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2013 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Trägerin des Seniorenhauses N-heim in Bad N. Sie begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens (§ 44 SGB X) die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme (höherer) ungedeckter Heimpflege- und Unterkunftskosten für die Bewohnerin I X (im Folgenden: Leistungsberechtigte) als Hilfe zur stationären Heimpflege nach dem SGB XII. Streitig sind im Anschluss an einen Teilunterwerfungsvergleich im Berufungsverfahren noch Leistungen für den Monat Oktober 2007.
Die Leistungsberechtigte (geb. 00.00.1912, gest. 20.01.2010) war zweimal verheiratet. Ihre erste Ehe mit dem am 00.09.1982 verstorbenen F N wurde geschieden. Aus ihr ging der am 00.00.1965 geborene Enkel N N hervor. Auch der zweite Ehemann war vorverstorben.
Die Leistungsberechtigte verfügte 2007 über Netto-Einkünfte aus Altersrente (DRV Bund, monatlich 665,52 EUR inklusive einer Kindererziehungsleistung gemäß §§ 294 ff. SGB VI für ein Kind i.H.v. 26,27 EUR), einer Zusatzversorgung (VBL, monatlich 15,90 EUR) sowie aus Versorgungsbezügen (Wehrbereichsverwaltung West; monatlich 261,15 EUR). Diese Bezüge (jeweils Stand ab Juli 2007) wurden auf ihr Girokonto (Nr. 000) bei der E Bank (später: D-bank) überwiesen.
Das Girokonto bei der E Bank wies Ende September 2007 einen Negativ-Saldo von 3.101,71 EUR, Ende Oktober 2007 von 3.533,55 EUR auf. Ein Sparguthaben bei der E Bank (Nr. 000) betrug Ende September 2007 104,50 EUR, Ende Oktober 2007 181,19 EUR. Die Leistungsberechtigte hielt einen Wohnungsgenossenschaftsanteil von 1.998 EUR (weitere Einzelheiten s.u.). Abbuchungen vom Girokonto für eine Lebens- und eine Krankenversicherung (H Versicherung) sowie für eine Unfallversicherung der (W-Versicherung) betrafen Versicherungsverträge ihres Enkels; auch nach Heimaufnahme der Leistungsberechtigten erfolgten vom Girokonto noch Barabhebungen (1.000,00 EUR am 10.04.2008, 800,00 EUR am 23.06.2008, jeweil...