Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertbarkeit eines Hausgrundstücks bei der Bewilligung von Leistungen des SGB 2
Orientierungssatz
1. Ein Hausgrundstück von angemessener Größe ist nicht als verwertbares Vermögen bei der Bewilligung von Leistungen des SGB 2 zu berücksichtigen. Bei einem von vier Personen bewohnten Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von mehr als 130 qm handelt es sich nicht mehr um ein Hausgrundstück von angemessener Größe i. S. von § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB 2.
2. Aus der nach der Wohnfläche beurteilten Angemessenheit des Hausgrundstücks folgt nicht ohne weiteres, dass die Grundstücksgröße keine weitere Berücksichtigung findet. Ist die Grundstücksfläche nicht als angemessen anzusehen, so ist zu prüfen, ob eine gesonderte Verwertung des die Angemessenheit übersteigenden Grundstücksteils in Betracht kommt.
3. Sind Teile des Grundstücks wegen einer besonderen Grundstückssituation - Schlauchgrundstück - nicht gesondert verwertbar, so handelt es sich hierbei um Schonvermögen, mit der Folge, dass es als nicht zu verwertendes Vermögen bei der Bewilligung von Leistungen des SGB 2 nicht zu berücksichtigen ist.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.12.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die den Klägern gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Darlehen oder als Zuschuss zu leisten sind.
1. Der im Jahre 1963 geborene erwerbsfähige Kläger zu 1) bewohnt zusammen mit seiner 1966 geborenen erwerbsfähigen Ehefrau, der Klägerin zu 2), und den 1987 und 1996 geborenen Kindern K und D (Kläger zu 3) und 4)) ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von 120 qm (so die Kläger) bzw. 125 qm (so die Beklagte). Die Grundstücksgröße beträgt 1.003 qm. Das im Jahr 1935 errichtete renovierungsbedürftige Wohnhaus (Feuchtigkeit in den Kellerräumen, Holzbockbefall im Dachgeschoss) samt Grundstück haben die Kläger im Jahr 2003 zu einem Kaufpreis von 98.500 EUR erworben. Weiteres Vermögen war nicht vorhanden.
Das Hausgrundstück der Kläger liegt in geschlossener Bauweise an der L-Straße 00 in I. An das Wohnhaus mit nebenstehender Garage schließt sich ein schmales langgezogenes Grundstück an ("Schlauchgrundstück"), an dessen Rückseite unmittelbar, also ohne Zugang, die Gärten der Nachbarn anstoßen. Wegen der genauen Lage und des Zuschnitts wird auf den Auszug aus dem Liegenschaftskataster des Kreises I vom 25.04.2003 Bezug genommen (Blatt 15 der Gerichtsakte). Das Grundstück, soweit es an die Straße angrenzt, ist mit Hause und Garage, die an das Haus angebaut ist, komplett bebaut.
Die Kläger haben den hinteren, der Straße abgewandten Teil des Grundstückes mit einer Fläche von etwa 300 qm durch einen Zaun abgetrennt. Hinter dem Zaun befindet sich eine Wiese, die von den Kindern als Bolzplatz genutzt wird.
Bis zum 25.04.2005 bezog der Kläger zu 1) von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld in Höhe von 40,88 EUR täglich; seit 16.01.2006 steht er wieder in einem Beschäftigungsverhältnis.
2. Am 04.04.2005 beantragten die Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14.07.2005 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil Hilfebedürftigkeit nicht vorliege. Sie führte aus, die Kläger verfügten über berücksichtigungsfähiges Vermögen, da die Grundstücksfläche unangemessen groß gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II sei. Angemessen sei eine Grundstücksfläche von 800 qm, während die Grundstücksfläche des Hausgrundstückes 1.003 qm betrage (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2 und 12 SGB II).
Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch mit der Begründung, die Größe des Grundstückes könne nicht dazu führen, das Hausgrundstück als nicht angemessen anzusehen. Es handele sich um reines Gartenland. Sämtliche Hausgrundstücke in der Straße seien gleichermaßen geschnitten, ebenso die hinten anstoßenden Grundstücke der Parallelstraße. Eine Abtrennung und Verwertung des Gartenlandes sei nicht möglich, da diese abgetrennten Teile nicht von öffentlichen Wegen oder Straßen erreicht werden könnten.
Mit weiterem Bescheid vom 25.07.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12.10.2005 (Änderung der Leistungshöhe für April 2005) bewilligte die Beklagte den Klägern darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 26.04.2005 bis zum 31.10.2005 in folgender Höhe:
April 2005 397,17 EUR Mai und Juni 2005 1.599,02 EUR monatlich Juli 2005 1.448,93 EUR August, September und Oktober 2005 1.252,67 EUR monatlich
Gegen die darlehensweise Leistungsgewährung erhoben die Kläger Widerspruch bzw. führten das Widerspruchsverfahren fort mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 SGB II seien nicht erfüllt, weil das Hausgrundstück Schonvermögen darstelle. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen die darlehensweis...