Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Ermittlung der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Konvergenzzuweisung. Rückzahlung von monatlichen Zuweisungen aufgrund Übergangsregelung nach § 272 SGB 5. hinreichende Bestimmtheit des § 272 Abs 4 S 1 SGB 5. Nichtanwendung der Vorschriften des SGB 10 über das Verwaltungsverfahren. Bestandsschutz

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschriften des SGB 10 über das Verwaltungsverfahren, insbesondere die §§ 20, 24, 35 SGB 10 finden im Zusammenhang mit dem Risikostrukturausgleich keine Anwendung, weil die §§ 266, 277, 268 SGB 5 bzw. die RSAV insoweit eigenständige Regelungen treffen. Diese gehen nach § 37 S 1 SGB 1 den Vorschriften des SGB 10 vor. Die diesbezügliche Rechtsprechung des BSG vom 24.1.2003 - B 12 KR 19/01 R = BSGE 90, 231 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 zum "alten" Risikostrukturausgleich beansprucht weiterhin uneingeschränkt Geltung (vgl LSG Essen vom 28.12.2010 - L 16 KR 661/10 ER).

2. Die Feststellung der Konvergenzzuweisungen ist nicht zu beanstanden. § 33b Abs 3 RSAV sieht vor, dass die "Landeszuweisungen" so ermittelt werden, dass je Kasse die Zuweisungen für alle Versicherten nach dem Anteil der Versicherungstage auf die Versicherten in den jeweiligen Bundesländern verteilt werden, so dass die "Landeszuweisungen" sich nicht nach den Morbiditätsinformationen der im jeweiligen Bundesland liegenden Versicherten, sondern nach den Morbiditätsdaten aller Versicherten der jeweiligen Krankenkasse richten. Diese Regelung widerspricht nicht § 272 SGB 5, sondern hält sich im Rahmen der in § 272 Abs 4 S 1 SGB 5 eingeräumten Ermächtigung.

3. § 272 Abs 4 S 1 SGB 5 ist auch dann hinreichend bestimmt iSv Art 80 Abs 1 S 2 GG, wenn man annimmt, dass § 272 Abs 1 SGB 5 nicht vorgibt, wie die Zuweisungen im Einzelnen zu ermitteln sind. Die Verordnungsermächtigung muss nicht so konkret sein, dass der Verordnungserlass sich in Rechtsanwendung erschöpft. Vielmehr dürfen dem Verordnungsgeber mit der Verwendung allgemeiner und nicht verbindlich definierter Begriffe Gestaltungsspielräume eröffnet werden. Hier lässt sich aus den Vorgaben des § 272 Abs 1 SGB 5 entnehmen, welches vom Gesetzgeber gesetzte Programm durch die Rechtsverordnung erreicht werden soll. Angesichts der Komplexität des RSA sind auch an die Festlegung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Der Gesetzgeber kann zudem davon ausgehen, dass die Krankenkassen aufgrund ihrer grundsätzlich gegebenen Sachkunde eher in der Lage sind, die sich für sie aufgrund der gesetzlichen Vorgaben ergebenden Auswirkungen zu erfassen. Schließlich ist zu berücksichtigenden, dass die Konvergenzregelung keineswegs wesentlich in die Rechtsstellung der Kassen eingreift, da es lediglich um eine Ergänzung der wesentlich bedeutsameren allgemeinen Zuweisungen geht.

4. Die in § 33b RSAV vorgegebene Ermittlung der Zuweisungen ist sachgerecht.

5. § 33b RSAV ist mit § 272 SGB 5 vereinbar.

6. § 272 SGB 5 enthält zwar anders als § 266 Abs 6 SGB 5 keine Regelung zur Zahlung (vorläufiger) monatlicher Zuweisungen, geht allerdings in der Verordnungsermächtigung in § 272 Abs 4 S 1 SGB 5 von entsprechenden Abschlagszahlungen aus. § 33c Abs 2 S 4 RSAV verweist insoweit auf § 39 Abs 1 - 4 RSAV und damit auf das monatliche Abschlagsverfahren. Wenn somit die Zuweisungen nach § 266 Abs 6 S 2 SGB 5 Abschlagszahlungen sind, die im Jahresausgleich ausgeglichen werden müssen (Satz 5 a.a.O., § 41 Abs 4 RSAV), kann für Zuweisungen nach § 272 SGB 5, für die auf der Grundlage der Ermächtigung in § 272 Abs 4 S 1 SGB 5 über die Verweisung in § 33c Abs 2 S 4 RSAV die gleichen Regelungen wie für die Zuweisungen für standardisierte Leistungsausgaben und sonstige Ausgaben anzuwenden sind, nichts anderes gelten. Dies zeigt im Übrigen auch § 41 Abs 4a RSAV, dessen Einfügung überflüssig gewesen wäre, wenn tatsächlich die schon gezahlten Konvergenzzuweisungen Bestandsschutz genießen würden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.05.2014; Aktenzeichen B 1 KR 4/14 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 2.500.000,- Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für das Kalenderjahr 2009 die Zuweisungen nach § 272 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ((SGB V), sog. Konvergenzzuweisungen) zutreffend festgesetzt hat und ob die Klägerin verpflichtet ist, Überzahlungen zu erstatten.

Aufgrund der durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I, 378) eingeführten neuen Regelung der Finanzierung der Krankenkassen erhalten diese seit dem 01.01.2009 aus dem als Sondervermögen vom Bundesversicherungsamt (BVA) verwalteten Gesundheitsfonds (§ 271 Abs. 1 SGB V) Zuweisungen zur Deckung ihrer Ausgaben (§ 266 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Diese Zuweisungen dienen der Deckung ihrer standardisierten Leistungsausgaben (§ 266 Abs. 2 Satz 1 SGB V) sowie der sonstigen Aufgaben (§ 270 SGB V). Die Zuweisungen sind alters-, geschlechts-u...

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