Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Erbschaft. Gutschrift auf überzogenes Bankkonto. Schuldentilgung. bereite Mittel. Möglichkeit eines erneuten Überziehungskredits. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
Ein Geldbetrag aus einer Erbschaft, der auf ein Bankkonto des Hilfebedürftigen überwiesen wird, welches mit einem Dispositionskredit belastet ist, ist - trotz der Verrechnung eines Teilbetrages der Erbschaft mit den Schulden durch die Bank - in voller Höhe ab dem Folgemonat des Zuflusses gem § 11 Abs 1 S 1, Abs 3 SGB 2 als Einkommen zu berücksichtigen (und bei Entfallen des Leistungsanspruchs auf sechs Monate zu verteilen), wenn der von der Bank eingeräumte Dispositionsrahmen für das Bankkonto unverändert fortbesteht, also die erneute Inanspruchnahme eines Überziehungskredits im Verteilzeitraum möglich ist und der Bedarf aus den insofern bereiten Mitteln gedeckt werden kann.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.09.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.07.2011 und des Bescheides vom 08.09.2011 sowie des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2011 verpflichtet, den Klägern im Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.10.2011 einen Zuschuss zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung i.H.v. 253,79 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1/3 aus dem gesamten Verfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufhebung der für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis 31.10.2011 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die am 00.00.11.1953 geborene Klägerin und der am 00.00.1962 geborene Kläger leben in nichtehelicher Lebensgemeinschaft und beziehen seit Oktober 2005 (teils aufstockend) Grundsicherungsleistungen.
Die Unterkunftskosten der 46,69 qm großen Mietwohnung beliefen sich im streitigen Zeitraum auf 312,36 EUR monatlich, bestehend aus der Grundmiete i.H.v. 205,32 EUR, einer Betriebskostenvorauszahlung von 53,81 EUR und einer Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 33,23 EUR.
Die Kläger verfügten im streitigen Zeitraum nicht über leistungsrelevante Vermögenswerte. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum nicht über eigenes Einkommen. Der Kläger ist Miterbe nach seinem am 15.02.2011 verstorbenen Vater. Das Erbe wurde ihm in mehreren Teilzahlungen ausgezahlt. Von seinem Bruder erhielt er als Teilzahlung auf das Erbe einen Betrag i.H.v. 8.000,- EUR, der seinem Girokonto am 27.06.2011 gutgeschrieben wurde. Der zum Zeitpunkt der Gutschrift mit der Bank vereinbarte Dispositionsrahmen betrug 2.900,- EUR. Das Konto des Klägers war bei der Gutschrift der Teilzahlung mit einem Betrag von 2.985,89 EUR im Soll. Das Guthaben belief sich nach Eingang des Geldes auf 5.014,11 EUR. Jedenfalls ab August 2011 senkte die kontoführende Bank den Dispositionsrahmen auf einen Betrag von 1.000 EUR. Die von den Klägern vorgelegten Kontoauszüge legen nahe, dass die Absenkung des Dispositionsrahmens bereits im Juli 2011 erfolgt ist. Das im August 2011 vorhandene Guthaben belief sich auf 3.505,23 EUR (Stand 02.08.2011), das am 01.09.2011 vorhandene Guthaben betrug 2255,23 EUR, und das am 01.10.2011 vorhandene Guthaben belief sich auf 1.005,85 EUR.
Die Beiträge der Kläger zur freiwilligen Krankenversicherung beliefen sich im streitigen Zeitraum auf je 126,90 EUR monatlich für die Krankenversicherung und je 18,74 EUR monatlich für die Pflegeversicherung.
Auf den Fortzahlungsantrag der Kläger bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 15.04.2011 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis 31.10.2011 i.H.v. 955,36 EUR monatlich und berücksichtigte hierbei den Regelbedarf der Kläger mit monatlich je 328,- EUR und die Unterkunftskosten mit monatlich insgesamt 299,36 EUR. Aufgrund einer Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 20.06.2011 Leistungen für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis 31.10.2011 i.H.v. 968,36 EUR monatlich, wobei er die Unterkunftskosten unter Beibehaltung der Leistungen im Übrigen i.H.v. 312,36 EUR monatlich anerkannte.
Der Kläger teilte bei einer persönlichen Vorsprache am 28.06.2011 den Eingang der Teilzahlung aus dem Erbe i.H.v. 8.000,- EUR mit und erklärte, er beabsichtige von dem gesamten Erbe Schulden i.H.v. ca. 13.000,- EUR zu tilgen.
Mit ausschließlich an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 08.07.2011 hob der Beklagte die Bewilligung der Leistungen ab dem 01.08.2011 ganz auf. Zur Begründung führte er aus, der Bedarf sei aufgrund des Zuflusses von 8.000,- EUR an den Lebensgefährten der Klägerin am 27.06.2011 gedeckt. Dieses Einkommen sei auf einen Zeitraum von 6 Monaten vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 zu verteilen und mit einem monatlichen Teilbetrag von 1.333,34...