Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kostenerstattungsanspruch bei Aufenthalt im Frauenhaus. Erstattung der Unterkunfts- aber auch Betreuungskosten bzw Eingliederungskosten
Orientierungssatz
1. Zu den Kosten, die der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort der Hilfebedürftigen aufgrund deren Aufenthalts in einem Frauenhaus gem § 36a SGB 2 zu erstatten hat, gehören auch Kosten für tatsächlich erbrachte Betreuungsleistungen, soweit diese für die Eingliederung der Hilfebedürftigen in das Arbeitsleben erforderlich sind. Auf die Frage, ob es sich um psychosoziale Betreuung iS des § 16 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB 2 aF im engeren Sinne handelt, oder ob es sich um anderweitige Betreuungsleistungen handelt, kommt es nicht an.
2. Auch nach Inkrafttreten von § 16a SGB 2 am 1.1.2009 sind weiterhin die allgemeinen Betreuungsleistungen im Frauenhaus nach § 36a SGB 2 erstattungspflichtig. Die Rechtlage hat sich mit Inkrafttreten dieser Vorschrift insoweit nicht geändert. Die jetzt abschließend aufgezählten Leistungen sollen nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung eine ganzheitliche und umfassende Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit gewährleisten. Der Begriff der psychosozialen Betreuung ist vor diesem Hintergrund weit auszulegen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 6.5.2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Umfang der Kostenerstattungspflicht wegen des Aufenthaltes einer Hilfebedürftigen und ihres Sohnes in einem Frauenhaus.
Die Klägerin ist eine kreisfreie Stadt. Die Beklagte ist eine nach § 44b SGB II von der Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit T1) und dem Kreis T errichtete Arbeitsgemeinschaft, der Kreis T hat der Beklagten gem. § 44b Abs. 3 S. 2 SGB II die Wahrnehmung der ihm als kommunaler Träger i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II obliegenden Aufgaben nach dem SGB II übertragen.
Die Hilfebedürftige Frau I L wohnte mit ihrem am 00.00.2004 geborenen Sohn und ihrem Ehemann in T1. Am 14.7.2006 zogen Frau L und ihr Sohn in das Frauenhaus T1 (im Zuständigkeitsbereich des Kreises T), wo sie bis einschließlich zum 7.3.2007 wohnten. Am 8.3.2007 wechselten sie in ein von der Klägerin unterhaltenes und im Zuständigkeitsbereich der Klägerin liegendes Frauenhaus, wo sie sich bis zum 16.7.2007 aufhielten. Seither leben Frau L und ihr Sohn in einer angemieteten Wohnung in L.
Bis zum 12.3.2007 bewilligte die Beklagte Grundsicherungsleistungen, ab dem 20.3.2007 erhielt die Hilfebedürftige Grundsicherungsleistungen von der Arge L.
Mit Schreiben vom 4.9.2007 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 36a SGB II an. Sie machte folgende Kosten geltend:
- "Frauenhaus Tagessatz" vom 20.3.2007-15.7.2007 (118 Tage) für die Hilfebedürftige und ihr Kind je 2583,02 EUR = 5166,04 EUR
- "Betreuungskosten" vom 20.3.2007-15.7.2007 (118 Tage) für die Hilfebedürftige und ihr Kind je 1062.- EUR (entspricht 9.-EUR/Tag) = 2124.- EUR
Die Beklagte erkannte ihre Erstattungspflicht hinsichtlich des Tagessatzes in Höhe von 5166,04 EUR an. Hinsichtlich der Betreuungskosten meinte sie, hierbei handele es sich um Personalkosten, die nicht der Erstattungspflicht nach § 36a SGB II unterlägen. Es handele sich nicht um Unterkunftskosten. Ob es sich um erstattungsfähige Kosten der psychosozialen Betreuung i.S.d. §§ 6 Abs. 1 Nr. 2, 16a Nr. 3 SGB II handele, sei noch zu klären. Nicht jeder Frauenhausaufenthalt beinhalte eine psychosoziale Betreuung.
Am 23.7.2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat dargelegt, bei dem für die Betreuungsleistungen pro Person geltend gemachten Tagessatz in Höhe von 9.- EUR handele es sich um Kosten für die allgemeine Betreuung der Personen im Frauenhaus, die je nach Problemstellung sehr unterschiedlich ausfallen könne. Der von der Beklagten geforderte Beleg von Notwendigkeit und Umfang der erbrachten Betreuungsleistungen im Einzelfall sei nicht erbringbar, da diese Leistungen im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Frauen und ihren Betreuerinnen der Verschwiegenheit unterlägen. Zudem seien auch die allgemeinen Betreuungsleistungen als erstattungsfähige Kosten der Unterkunft i.S.d. § 22 SGB II anzusehen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2124.- EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen gemeint, eine Kostenübernahme scheitere auch daran, dass die Betreuungsleistungen nicht erbracht worden seien, um Vermittlungshemmnisse am Arbeitsmarkt zu beseitigen.
Mit Urteil vom 6.5.2009 hat das Sozialgericht Köln die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2124.- EUR zu zahlen, und die Berufung zugelassen: Der Erstattungspflicht nach § 36a SGB II unterlägen neben den Kosten für Unterkunft und Heizung die Leistungen, die für die Eingliederung des erwerbsfähige...