Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Einkommenseinsatz. Taschengeld aus Bundesfreiwilligendienst. zweckbestimmte Leistung. Erwerbseinkommen. Freibeträge

 

Leitsatz (amtlich)

§ 82 Abs 3 S 3 SGB XII ist auf das im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes erzielte Taschengeld mit dem Ergebnis anzuwenden, dass der gesamte monatliche Verdienst in entsprechender Anwendung des § 1 Abs 7 S 1 Alg II-VO (juris: AlgIIV 2008) in der Fassung vom 1.1.2013 bis 31.7.2016, ab dem 1.8.2016 § 11b Abs 2 S 6 SGB II vollständig zu berücksichtigen ist.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.08.2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Der am 00.00.1949 geborene, seinerzeit mit seiner Ehefrau zusammenlebende Kläger steht bei der Beklagten im Leistungsbezug nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Mit Bescheid vom 01.08.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen in Höhe von 345,47 EUR für den Monat August 2014, wobei sie bei der Berechnung der Leistungshöhe neben der Regelaltersrente des Klägers in Höhe von 18,08 EUR das monatliche Taschengeld in Höhe von 200,00 EUR, welches der Kläger aufgrund des von ihm in der Zeit vom 01.08.2013 bis 31.01.2015 geleisteten Bundesfreiwilligendienstes erhielt, vollständig als Einkommen anrechnete. Zudem wies sie in dem Bescheid darauf hin, dass der ausführliche Bewilligungsbescheid noch folge, und hielt fest, dass das Taschengeld auch zukünftig in voller Höhe als Einkommen anzurechnen sei.

Mit Schreiben vom 26.08.2014 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.08.2014 ein. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, dass es für ihn nicht nachvollziehbar sei, warum das o.a. Taschengeld als Einkommen berücksichtigt würde, obwohl dies im vorausgegangenen Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) nicht der Fall gewesen sei. Die demnach erfolgte Schlechterstellung von Personen über 65 Jahre und solchen, die SGB XII-Leistungen bezögen, sei ungerecht und diskriminierend. Bei Anrechnung des Taschengeldes als Einkommen sei er nicht in der Lage, den Bundesfreiwilligendienst weiter auszuüben, da er dann die ihm dienstbedingt entstehenden Kosten nicht decken könne.

Die Beklagte zahlte dem Kläger die oben genannte Grundsicherungsleistung auch für September 2014 aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch nach beratender Beteiligung sozial erfahrener Dritter als unbegründet zurück. Im SGB XII gebe es keine Regelung wie im Anwendungsbereich des SGB II, nach der ein im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes gewährtes Taschengeld nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Auch handele es sich bei der Ausübung des Bundesfreiwilligendienstes um eine ehrenamtliche Tätigkeit, nicht um eine Erwerbstätigkeit.

Mit Bescheid vom 30.09.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in der oben genannten Höhe für den Zeitraum August 2014 bis Juli 2015. Hinsichtlich des bewilligten Leistungsbetrags ging die Beklagte von einem Bedarf bestehend aus dem maßgeblichen Regelsatz (353,00 EUR), einem Mehrbedarf für Warmwasser (8,12 EUR) sowie den hälftigen Kosten für Unterkunft und Heizung (202,43 EUR), mithin von einem Bedarf in Höhe von insgesamt 563,55 EUR aus. Auf diesen Bedarf rechnete sie das Altersruhegeld des Klägers in Höhe von 18,08 EUR und das o.a. Taschengeld in Höhe von 200,00 EUR in vollem Umfang an.

Am 21.10.2014 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Dortmund erhoben.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Berücksichtigung des Taschengeldes als Einkommen gegen das Altersdiskriminierungsverbot verstoße. Bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II würde das Taschengeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Es gebe keinen sachlichen Grund, Personen, die im Leistungsbezug nach dem SGB XII stünden, gegenüber Personen, die im Leistungsbezug nach dem SGB II stünden, bezüglich der Frage der Anrechnung eines im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes gewährten Taschengeldes zu benachteiligen. Der Gesetzgeber habe die unterschiedliche Anrechnungspraxis nicht bedacht.

Der Kläger hat beantragt,

unter Abänderung des Bescheids vom 01.08.2014 sowie des durch Zahlung konkludent erlassenen Bescheids vom 01.09.2014 betreffend die Monate August 2014 und September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2014 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 30.09.2014 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch in Höhe von weiteren 840,00 EUR für den Zeitraum August 2014 bis Januar 2015 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen...

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