Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall des Arbeitslosengeld II. wiederholte Pflichtverletzung. fehlender Nachweis von Bewerbungsbemühungen. Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts. Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen
Orientierungssatz
1. Der fehlende Nachweis der - im Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs 3 S 3 SGB 2 auferlegten - Bewerbungsbemühungen rechtfertigt eine Sanktion nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2. Die Verpflichtung zum Nachweis der Bewerbungen ist nicht als einheitliche Dauerverpflichtung für den Gesamtzeitraum des Eingliederungsverwaltungsakts anzusehen. Die Verpflichtung, den Nachweis monatlich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen, entsteht für jeden Zeitabschnitt neu und kann damit bei wiederholter Verletzung auch mehrfach sanktioniert werden.
2. Die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts ist Voraussetzung für die Annahme einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2.
3. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der diesem Fall zugrundeliegenden Sanktionsvorschriften.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 28.09.2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides.
Der am 00.00.1973 geborene Kläger ist diplomierter Wirtschaftsingenieur. Er ist alleinstehend und bezieht vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Kosten für Unterkunft und Heizung macht er nicht geltend.
Mit Bescheid vom 11.04.2016 stellte der Beklagte eine Minderung der Leistungen des Klägers nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 31.07.2016 iHv 30 Prozent des gemäß § 20 SGB II maßgeblichen Regelbedarfs fest. Ein gegen diesen Bescheid gerichtetes Widerspruchs- und Klageverfahren (SG Aachen - S 8 AS 590/16) endete durch Klagerücknahme. Im Herbst 2016 weigerte der Kläger sich, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Der Beklagte erließ daraufhin am 14.09.2016 einen Eingliederungsbescheid für den Zeitraum vom 14.09.2016 bis zum 31.03.2017. Ein Widerspruchsverfahren, eine beim Sozialgericht Aachen erhobene Klage (S 2 AS 950/16, Urteil vom 26.01.2017), eine Berufung (L 2 AS 488/17, Urteil vom 31.08.2017) und eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG (B 14 AS 360/17 B, Beschluss vom 31.08.2017) blieben erfolglos. Der Kläger kam den ihm in dem Eingliederungsbescheid auferlegten Obliegenheiten nicht nach. Mit Bescheid vom 12.10.2016 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger für den Zeitraum vom 01.11.2016 bis zum 31.01.2017 eine Minderung iHv 60 Prozent des gemäß § 20 SGB II maßgeblichen Regelbedarfs fest. Eine diesbezügliche Klage wies das Sozialgericht Aachen ab (S 2 AS 949/16, Urteil vom 26.01.2017). Eine gegen dieses Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen (L 2 AS 489/17 NZB, Beschluss vom 16.06.2017). Mit Bescheid vom 14.02.2017 stellte der Beklagte eine Minderung des dem Kläger bewilligten Arbeitslosengeldes II für den Zeitraum vom 01.03.2017 bis zum 31.05.2017 iHv 100 Prozent fest. Das Sozialgericht Aachen wies eine nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hiergegen gerichtete Klage ab, (S 4 AS 157/17, Urteil vom 06.09.2017), der Senat hat eine gegen dieses Urteil gerichtete Berufung zurückgewiesen (L 7 AS 2008/17, Urteil vom 06.09.2018).
Auch in der Folgezeit ergingen im Jahr 2017 bestandskräftige Eingliederungsbescheide, weil der Kläger sich weigerte Eingliederungsverwaltungsakte abzuschließen (u.a. Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.03.2018 - S 2 AS 408/17; Urteil des Senats vom 06.09.2018 - L 7 AS 682/18). Die hierauf gestützten 100 Prozent-Sanktionen im Jahr 2017 wurden bestands- und rechtskräftig beschieden. Der Kläger wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass er bei erneuten Verstößen erneut mit einer 100 % Sanktion zu rechnen habe.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.09.2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 01.10.2017 bis 30.09.2018 iHv monatlich 409 EUR. Mit späterem Änderungsbescheid bewilligte der Beklagte dem Kläger in den Monaten Januar bis September 2018 monatlich 416 EUR.
Der Beklagte lud den Kläger zu einem Beratungsgespräch am 26.10.2017 ein. Der Kläger erklärte hierauf schriftlich, er werde den Termin nicht wahrnehmen. An Beratungs- und Unterstützungsleistungen des Beklagten sei er nicht mehr interessiert. Er bat den Beklagten darum, ihm keine Angebote mehr zuzusenden. Mit Eingliederungsbescheid vom 19.12.2017 setzte der Beklagte die von ihm zu erledigenden Aufgaben und die vom Kläger zu erfüllenden Pflichten vom 19.12.2017 bis zum 18.06.2018 fest. Der Beklagte verpflichtete sich, den Kläger pro schriftlicher Bewerbung mit einem Betrag von 5 EUR (bis zu 300 EUR insgesamt im Jahr) zu unterstützen, ihm Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen zu erstatten, das Bewerberprofil des Klägers mit Stellenangeboten ...