Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Akteneinsicht. berechtigtes Geheimhaltungsinteresse eines Dritten. Interesse eines Behördeninformanten an der Geheimhaltung seiner Identität. Sozialgeheimnis. Übermittlungsbefugnisse der Behörde. überwiegendes Interesse des am Verfahren Beteiligten. allgemeines Persönlichkeitsrecht. Auskunftsrecht nach Art 15 Abs 1 EUV 2016/679
Orientierungssatz
1. Bei dem Interesse eines Behördeninformanten an der Geheimhaltung seiner Identität handelt es sich grundsätzlich um ein dem Anspruch auf Akteneinsicht entgegenstehendes berechtigtes Geheimhaltungsinteresse eines Dritten im Sinne des § 25 Abs 3 SGB 10.
2. Der Name eines Behördeninformanten stellt ein geschütztes Sozialdatum im Sinne des § 35 Abs 1 S 1 SGB 1 dar. Er unterfällt unabhängig davon, ob Vertraulichkeit ausdrücklich gefordert oder zugesichert worden ist, dem von der Behörde zu beachtenden Sozialdatenschutz (vgl BVerwG vom 4.9.2003 - 5 C 48/02 = BVerwGE 119, 11= Buchholz 435.12 § 25 SGB X Nr 1 = juris RdNr 29).
3. Außerhalb gesetzlicher Übermittlungsbefugnisse der Behörde kommt ein überwiegendes Interesse des Beteiligten, zur Wahrung seines auch verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts die Identität des Behördeninformanten festzustellen, dann in Betracht, wenn ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass der Behördeninformant wider besseren Wissens und in der vorgefassten Absicht, den Ruf des Betroffenen zu schädigen, gehandelt oder der Behörde leichtfertig falsche Informationen übermittelt hat (vgl BVerwG vom 4.9.2003 - 5 C 48/02 aaO = juris RdNr 30).
4. Zum Bestehen eines Auskunftsanspruchs nach Art 15 Abs 1 EUV 2016/679 in derartigen Fällen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.03.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Einsicht in die zu seiner Bedarfsgemeinschaft geführten Verwaltungsakten des Beklagten, namentlich in ein Schreiben eines Behördeninformanten.
Der Kläger stand in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinem Sohn beim beklagten Jobcenter im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Im April 2011 ging beim Beklagten ein Schreiben ein, in welchem dem Kläger und seiner Ehefrau ein Missbrauch steuerfinanzierter Leistungen des Beklagten vorgeworfen wurde. Die absendende Person (im Folgenden: Behördeninformant) des Schreibens bat zugleich um Vertraulichkeit.
Der Beklagte forderte den Kläger und die übrigen Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft in der Folge auf, zusätzliche Angaben zu machen bzw. Unterlagen vorzulegen, namentlich Erklärungsvordrucke zu Einkommen und Vermögen von jeder Person im Haushalt, vorhandene Kfz-Briefe sowie Kopien von Sparguthaben, Kontoauszüge der letzten drei Monate von allen Haushaltsangehörigen sowie eine Erklärung, wie eine bestehende Differenz zwischen tatsächlicher und als angemessen anerkannter Miete beglichen werde (Mitwirkungsaufforderung vom 02.05.2011); zudem sprach der Beklagte den Kläger am Rande einer anderweitigen Rücksprache darauf an, ob seine Ehefrau ein Reitpferd halte. Der Kläger kam den Mitwirkungsverlangen nach. Letztlich gewährte der Beklagte dem Kläger und dessen Bedarfsgemeinschaft ununterbrochen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Der Kläger forderte den Beklagten vor diesem Hintergrund wiederholt auf, ihm den Namen der Person mitzuteilen, die den Beklagten "kontaktiert und mit falschen Informationen [...] versorgt" habe, und ihm zudem Akteneinsicht zu gewähren.
Nachdem der Beklagte diesen Bitten nicht nachkam, meldete sich (unter dem 23.07.2015) ein Rechtsanwalt für den Kläger und begehrte ebenfalls Akteneinsicht, namentlich dazu, aus welchen Gründen es "zu einer Zahlungsstockung und Nichtgewährung von Arbeitslosenhilfe zeitweilig" gekommen sei; es sei beabsichtigt, ggf. Amtshaftungsansprüche (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) geltend zu machen. Der Beklagte gewährte dem Rechtsanwalt daraufhin Einsicht in die Verwaltungsakte, aus der er aber zuvor u.a. das Schreiben aus April 2011 entnommen hatte. Der Kläger teilte der Beklagten daraufhin mit, es gehe ihm darum, dass er Einsicht erhalte in das Schreiben, das dem Beklagten "am 15.04.2011 zugestellt" worden sei (Rechtsanwaltsschreiben vom 22.01.2016). Dieses Schreiben habe dazu geführt, dass ihm über einige Monate keine Leistungen nach dem SGB II ausgezahlt worden seien. Er habe ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob und in welcher Weise er von Dritten geschädigt worden sei (§ 826 BGB). Darüber hinaus sei er geschädigt worden, weil er als rechtlicher Betreuer seines zwischenzeitlich verstorbenen Schwiegervaters hätte eingesetzt werden sollen; die Denunziation mit unwahren Tatsachen habe sachfremde Zwecke verfolgt, nämlich, ihm Schwierigkeiten "gegenüber der Arbeitsverwaltung" zu bereiten...