Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen der Rentenanwartschaft durch Beitragserstattung
Orientierungssatz
1. Aus Beitragszeiten können dann keine Rechte mehr hergeleitet werden, wenn die zugrunde liegenden Beiträge dem Versicherten erstattet worden sind. Damit ist die entsprechende Rentenanwartschaft erloschen. Durch die Beitragserstattung wird das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst.
2. Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass ein Erstattungsantrag, ein rechtswirksamer Erstattungsbescheid und eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung vorliegen.
3. Nach der auch für das sozialgerichtliche Verfahren geltenden Beweisregel des ersten Anscheins lässt ein durch eigenen Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren zur Beitragserstattung bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass ein Erstattungsbescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 22.02.2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist (Regelalters-)Rente.
Der 1945 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsbürger. Er war vom 7.4.1964 bis zum 29.4.1965, vom 29.10.1965 bis zum 27.4.1967 und vom 14.6.1967 bis 30.8.1968 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt und hat in dieser Zeit Beiträge zur knappschaftlichen und zur allgemeinen Rentenversicherung entrichtet. Er kehrte 1969 nach Marokko zurück und bezieht seit Juli 2005 eine marokkanische Rente.
Auf der von der Beklagten 1964 für den Kläger angelegten "Stammkarte für Ausländer" wurde das der Rentenversicherung gemeldete versicherungspflichtige Entgelt für die Zeiträume vom 7.4.1964 bis 29.4.1965 und vom 29.10.1965 bis 27.4.1967 vermerkt. Auf dieser Karte wurde am 19.4.1972 ein Stempel mit der Überschrift "Beitragserstattung" aufgebracht und handschriftlich ergänzt. Danach wurden dem Kläger "lt. Mitteilung vom 6.1.1972" für die Zeit vom 7.4.1964 bis 27.4.1967 (knappschaftliche Rentenversicherung) DM 1.665,13 und für die Zeit vom 14.6.1967 bis 30.8.1968 (Rentenversicherung der Arbeiter) DM 328,57 erstattet.
Im Februar 2007 erbat der Kläger eine Rentenauskunft und legte dazu eine Kopie seines Bergmannsbuchs vor. Dort befand sich unter den auf den Seiten 2 und 3 bescheinigten Beschäftigungszeiten ein Stempelaufdruck der (damaligen) Landesversicherungsanstalt(LVA) Westfalen - mit handschriftlicher Ergänzung - wie folgt:
"Beiträge wurden gemäß § 1303 - § 1304 RVO erstattet. Erst.Z.: 424/3 - 271045 Qerr (unleserlich)11.71 (Handzeichen)" LVA 11"
Die Beklagte ging von einem Rentenantrag aus und lehnte diesen ab (Bescheid vom 1.3.2007). Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, für die Zeit vom 19.4.1972 an und vom 7.4.1964 bis 30.8.1964 keine Erstattung erhalten zu haben. Er habe Deutschland 1969 aus gesundheitlichen Gründen verlassen und nun ein Recht auf eine Rente. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Der Kläger erfülle nicht die Wartezeit für eine Rente; die in der Zeit vom 7.4.1964 bis 30.8.1968 entrichteten Beiträge seien ihm auf Antrag vom 6.1.1972 mit Bescheid vom 19.4.1972 erstattet worden. Versicherungszeiten nach dem 19.4.1972 lägen nicht vor (Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007, zugestellt am 16.8.2007).
Seine beim Sozialgericht (SG) Dortmund am 19.10.2007 erhobene Klage hat das SG abgewiesen: Es bestünden keine durchgreifenden Bedenken, dass dem Kläger die Beiträge, die für seine in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Zeiten gezahlt worden sind, erstattet worden sind. Dies ergebe sich aus dem elektronischen Gesamtkontospiegel und den Eintragungen auf der Stammkarte und im Bergmannsbuch. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass dem Kläger die Beiträge von der Beklagten mit Bescheid vom 19.4.1972 erstattet worden sind (Gerichtsbescheid vom 22.2.2010, zugestellt am 4.3.2010).
Mit seiner Berufung vom 23.3.2010 wendet der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung des SG ein, er habe keine Erstattung seiner an die Deutsche Rentenversicherung in Augsburg geleisteten Beiträge erhalten. Der Betrag von 1.993,70 DM habe ihm auch nicht überwiesen werden können, da er 1972 schon in Marokko gelebt und dort kein Konto unterhalten habe. Er weist darauf hin, dass er eine Familie zu unterhalten habe und alt und krank sei. Er habe 9.545 Tage in der marokkanischen Sozialversicherung zurückgelegt. Bei der Gewährung seiner marokkanischen Rente seien deutsche Versicherungszeiten nicht berücksichtigt worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen. Auf die ihm am 27.2.2012 zugestellte Ladung hat der Kläger (sinngemäß) mitgeteilt, er könne persönlich nicht kommen, vertraue aber darauf, dass das Gericht in seinem Sinne entscheiden werde.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie könne nicht erkl...