Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Aufstockungsversicherung mit Mehrleistungsanspruch bei Vereinbarung zusätzlicher Leistungen. Prämienerhöhung durch Satzungsänderung. Prämienbemessung nach Altersgruppe und Einkommensklasse. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Um das Mehrleistungssystem für diejenigen Mitglieder, die daran bereits zum 31.3.2007 teilgenommen haben, aufrecht erhalten zu können, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, im Rahmen einer typisierenden Betrachtung die Morbidität von Rentnern sowie die daraus resultierende höhere Leistungsinanspruchnahme zu berücksichtigen und diese Aspekte bei der Kalkulation der Prämien zu Grunde zu legen. Dieser Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit des nunmehr geschlossenen Systems überwiegt das Interesse der Versicherten an der Beibehaltung eines lediglich beitragsfinanzierten - idR mit geringeren finanziellen Lasten verbundenen - Mehrleistungssystems.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.07.2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die von ihm zu entrichtenden Prämien für die sog. Aufstockungsversicherung mit Mehrleistungsanspruch.
Der 1956 geborene Kläger war im deutschen Steinkohlenbergbau unter Tage beschäftigt. Seit dem 01.04.2006 bezog er eine Rente für Bergleute i.H.v. zunächst 857,56 Euro (§ 45 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI). Er ist seit diesem Zeitpunkt bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gegen das Risiko Krankheit versichert. In der Zeit vom 01.04.2006 bis 31.03.2011 erhielt der Kläger unter Anrechnung der Rente für Bergleute Anpassungsgeld (APG) an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus nach den Richtlinien vom 25.10.2005 von der Bundesrepublik Deutschland - Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Zudem bezog er von der Deutschen Steinkohle (DSK) einen monatlichen betrieblichen Zuschuss. Seit dem 01.04.2011 erhält der Kläger Knappschaftsausgleichsleistung (KAL).
Der Kläger beantragte bei der Beklagten die Aufstockungsversicherung mit Mehrleistungsanspruch (Zweibettzimmerbehandlung und Chefarztbetreuung). Mehrleistungen bei der Krankenhausbehandlung sah die Satzung der Beklagten in der seinerzeit geltenden Fassung aufgrund der Ermächtigung in § 2 Abs. 1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung vom 19.05.1941 (RGBl. I S. 287) vor. Danach stellt die Satzung Richtlinien für die Gewährung von Mehrleistungen auf. Diese können für Arbeiter, Angestellte und Rentner unterschiedlich sein. Für mehrleistungsberechtigte Aktive (z.B. angestellte Arbeitnehmer, APG-Bezieher ohne Rentenanspruch) sowie für freiwillig versicherte Rentner wurde bis zum 31.12.2008 ein zusätzlicher Beitrag von 1,4 % erhoben. Für Mitglieder der KVdR war neben dem allgemeinen Beitragssatz bis zum 31.12.2008 ein Beitragssatz von 4,5 % zu entrichten.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass die Aufstockungsversicherung mit Mehrleistungsanspruch am 01.04.2006 beginne und sich der monatliche Beitrag ab dem 01.07.2006 auf 38,59 Euro belaufe (Bescheid vom 09.05.2006). Sie führte weiterhin aus:
"Das Bundesamt für Wirtschaft zahlt für Sie die Beiträge mit Ausnahme des sich aus dem zusätzlichen Beitragssatz errechneten Beitragsanteils. Der Zu-satzbeitrag wird am Anpassungsgeld einbehalten."
In der Folge trug das BAFA die monatlichen Beiträge, die die Beklagte ausschließlich aus der Rente für Bergleute berechnete.
Anlässlich der Einführung eines einheitlichen Beitragssatzes für sämtliche Krankenkassen mit Wirkung zum 01.01.2009 und der damit verbundenen Errichtung des Gesundheitsfonds wurde das Mehrleistungssystem beendet. Es besteht nur noch für Mitglieder, die bereits zum 31.03.2007 Mehrleistungen in Anspruch nehmen konnten. Dementsprechend ordnet § 173 Abs. 2a des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) an, dass § 2 Abs. 1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung nicht für Versicherte gilt, die nach dem 31.03.2007 Versicherte der Beklagten werden. Die Beklagte änderte daraufhin ihre Satzung (Beschluss der Vertreterversammlung vom 14.11.2008 - Genehmigung durch das Bundesversicherungsamt [BVA] durch Bescheid vom 19.12.2008) und führte zur Finanzierung ihres Mehrleistungsanspruchs mit Wirkung ab dem 01.01.2009 ein Prämiensystem ein. Nach der Neufassung des § 59 Abs. 5 der Satzung ist die monatliche Prämienhöhe bei Versicherten, die nicht Rentner sind, bis zum 64. Lebensjahr nach dem Lebensalter in fünf Jahresschritten gestaffelt (Anlage 10 zu § 59 Abs. 5 der Satzung). Bei Rentnern, Rentenantragstellern sowie Mitgliedern ab Vollendung des 65. Lebensjahres bestimmt sich die zu entrichtende Monatsprämie nach den Einkommensverhältnissen der Versicherten. Hierbei hat die Beklagte 500,00-Euro-Staffeln festgelegt (Anlage 11 zu § 59 Abs. 5 der Satzu...