Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Einstiegsgeld. Überwindung der Hilfebedürftigkeit. selbstständige Tätigkeit. wirtschaftliche Tragfähigkeit. positive Stellungnahme einer fachkundigen Stelle. Wertung durch den Grundsicherungsträger. Prognoseentscheidung. gerichtliche Überprüfbarkeit
Orientierungssatz
1. Bei der Entscheidung über die Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 16b SGB 2 ist zur Beurteilung der Erfolgsaussichten einer angestrebten selbstständigen Tätigkeit ergänzend § 16c SGB 2 heranzuziehen, der im Zusammenhang mit § 16b SGB 2 zu lesen bzw als dessen Konkretisierung zu verstehen ist.
2. Es kann bereits dann nicht davon ausgegangen werden, dass die angestrebte Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist, wenn eine positive Stellungnahme einer fachkundigen Stelle iS des § 16c SGB 2 zu der beabsichtigten Tätigkeit nicht vorgelegt wurde. Eine solche positive Stellungnahme ist unabdingbare Voraussetzung, um für die Tatbestandsvoraussetzung wirtschaftlicher Tragfähigkeit überhaupt den Bereich weiterer Prüfung zu eröffnen.
3. Der Grundsicherungsträger ist an das Ergebnis der Stellungnahme nicht gebunden; vielmehr ist es nach Vorlage der Stellungnahme seine Aufgabe, die Analyse selbst zu werten und mit den verfügbaren Erkenntnissen abzuwägen.
4. Ob eine Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist, ist vom Grundsicherungsträger mittels einer Prognose zu prüfen (vgl LSG Essen vom 20.6.2012 - L 12 AS 569/11). Maßgeblich für die Prüfung ist eine zukunftsorientierte Beurteilung unter Berücksichtigung aller zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw der letzten Verwaltungsentscheidung bekannten Tatsachen (vgl LSG Essen vom 6.6.2013 - L 7 AS 1884/12 und LSG Celle-Bremen vom 25.5.2011 - L 13 AS 178/10).
5. Die von der Behörde getroffene Prognoseentscheidung ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar; ein nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum iS einer Einschätzungsprärogative der Verwaltung ist bei der Prüfung der in § 16b SGB 2 normierten Tatbestandsvoraussetzung der Überwindung der Hilfebedürftigkeit nicht gegeben (vgl LSG Essen vom 6.6.2013 - L 7 AS 1884/12).
6. Die angestrebte Erwerbstätigkeit muss dem Leistungsberechtigten die ernsthafte Perspektive eröffnen, in absehbarer Zeit aus eigenen Kräften den Lebensunterhalt für sich bzw für sich und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen decken zu können.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.10.2012 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Einstiegsgeld sowie eines "Existenzgründungs-" Zuschusses nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für eine selbständige Tätigkeit des Klägers als Energieberater.
Der am 00.00.1966 geborene Kläger steht beim Beklagten im Bezug laufender Leistungen zur Grundsicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Am 06.05.2009 teilte er dem Beklagten mit, dass er sich als Energieberater selbständig machen wolle. Diesbezüglich nahm er an einer Informationsveranstaltung "Erstinformationen für Gründer/innen" bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis C - Startercenter NRW - (WFG) teil und führte dort auf Anraten des Beklagten Beratungsgespräche. Die WFG berichtete dem Beklagten in einem Schreiben vom 02.07.2009 über ihre Einschätzung des Vorhabens: Der Kläger habe sich sehr bemüht und einen Businessplan erstellt. Er benötige einen Kapitalbedarf von 20.000 Euro für die technische Ausstattung wie z.B. Wärmebildkameras; hierfür habe ihm seine Hausbank "mehr oder weniger" eine Zusage gegeben. Eine Prognose zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit könne langfristig noch nicht abgegeben werden. Es sprächen einige Gesichtspunkte gegen einen möglichen Erfolg. Unternehmerische Selbständigkeit erfordere Ausdauer und Kontinuität, die sich aus dem Lebenslauf des Klägers nicht ergäben. Außerdem gebe es zur Zeit eine Vielzahl von Gründungen bei Energieberatungen sehr intensiv. Viele aus dem Handwerk Stammende hätten Fortbildungen abgeschlossen, ein großer Teil beginne die Selbständigkeit im Nebengewerbe. Auch die persönliche Ansprache der möglichen Kunden sei beim Kläger, der alleinstehend sei und keinen großen Freundes- und Bekanntenkreis habe, nicht günstig. Insgesamt betrachtet solle er aber vielleicht doch die Chance zur Gründung erhalten, sofern die Finanzierung geklärt sei. Ohne eine Finanzierungszusage habe er keine Chance sein Vorhaben umzusetzen.
Die Spar- und Darlehnskasse S eG, bei der der Kläger sich um einen Kredit bemühte, lehnte eine Darlehensgewährung (Start-Geld der Kreditanstalt für Wiederaufbau - KfW - zur Existenzgründung) mit Schreiben vom 17.09.2009 ab. Nach einer Stellungnahme der KfW sei das zu übernehmende Risiko, wie es sich aus den Angaben zum persönlichen und beruflichen Hintergrund sowie der Vermögenssituation ergebe, zu hoch.
Am 01.10.2009 stellte der Kläger beim Beklagten einen...