Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelbedarf. Regelbedarfsstufe 1. Alleinstehende. Bedarfsgemeinschaft. Lebenspartner. Getrenntleben. Räumliche Trennung. Trennungswillen. Keine häusliche Gemeinschaft. Kein Wirtschaften aus einem Topf. Keine Einsparmöglichkeiten. Wochenendbeziehung. Synergieeffekte bei der alltäglichen Lebensführung
Leitsatz (redaktionell)
1. Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt; alleinstehend sind volljährige Personen, die nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit anderen Leistungsberechtigten sind.
2. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören neben dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auch die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner; das Getrenntleben setzt neben einer räumlichen Trennung einen Trennungswillen voraus.
3. Haben die Ehegatten bzw. Lebenspartner bei oder nach der Eheschließung bzw. Eingehung der Lebenspartnerschaft einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, kann allein der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben nach familienrechtlichen Grundsätzen nicht begründen; vielmehr muss regelmäßig der nach außen erkennbare Wille eines Ehegatten bzw. Lebenspartners hinzutreten, die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft nzw. Lebenspartnerschaft ablehnt.
4. Der Begriff des „dauernd getrennt Lebens” kann im Zusammenspiel von § 20 Abs. 4 SGB II und § 7 Abs. 3 Nr. 3b) SGB II nicht dahingehend ausgelegt werden, dass Trennung die räumliche Trennung im Sinne einer separaten Haushaltsführung der Lebenspartner meint.
5. Eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II ist angezeigt, wenn die Lebenspartner zwar eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3b) SGB II bilden, im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch nicht „aus einem Topf” gewirtschaftet haben, weshalb dem Kläger mangels entsprechender Einsparmöglichkeiten für diesen Zeitraum der Regelbedarf für Alleinstehende zuzuerkennen ist.
6. Dies ist der Fall, wenn sich bei den Lebenspartnern keine Einsparmöglichkeiten bei der alltäglichen Lebensführung bei zwei verschiedenen Haushalten etwa durch einen gemeinsamen Telefon- und Internetanschluss, gemeinsame Versicherungen (Hausrat, Haftpflicht etc.), gemeinsame Einkäufe und eine gemeinsame Freizeitgestaltung ergeben.
7. Anders wäre es gegebenenfalls zu beurteilen, wenn die Lebenspartner sich im Rahmen einer „Wochenendbeziehung” oder auch unterhalb der Woche regelmäßig sehen und im jeweiligen Haushalt Zeit miteinander verbringen würden, sodass sich dann Synergieeffekte bei der alltäglichen Lebensführung etwa durch die Einnahme gemeinsamer Mahlzeiten oder dem Sparen von Strom und Wasser sowie Heizkosten ergeben könnten.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 3 Nr. 3b, §§ 9, 11-12, 20 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 4, § 41a Abs. 5 S. 1; AsylbLG § 3; SGB I § 33b; LPartG § 1 S. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 5 Sätze 1-2; BGB §§ 1353, 1567 Abs. 1-2
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.07.2022 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe zu gewährender Regelbedarfe nach § 20 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) vom 01.03.2019 bis 31.08.2019 streitig.
Der am 00.00.1966 geborene Kläger steht beim Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II und ist seit 01.04.1991 alleine unter der Anschrift X.-straße. 44 in Z wohnhaft. Er ist seit 2002 mit Herrn T. W. (im Folgenden: Lebenspartner), der in F. wohnhaft ist, nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) verpartnert. Bis zum Jahr 2017 wurde dem Kläger nach eigenen Angaben vom Beklagten der Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II gewährt. Vom 01.11.2016 bis 31.01.2019 bezog der Kläger eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. monatlich 344,01 Euro (Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Westfalen vom 14.02.2017), ihm wurden in diesem Zeitraum ergänzend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 gewährt.
Auf den Antrag vom 23.01.2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 13.02.2019 für den Zeitraum 01.03.2019 bis 31.08.2019 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 680,94 Euro monatlich, davon 382 Euro Regelbedarfe nach der Regelbedarfsstufe 2 gem. § 20 Abs. 4 SGB II sowie 298,94 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Gegen den Bescheid vom 13.02.2019 legte der Kläger betreffend die Gewährung des Re...